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01 2002

Services: Eine Arbeitsgruppen-Ausstellung

Andrea Fraser

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1993 gab es eine plötzliche Flut von Ausstellungen, die nur insofern genau umrissen oder einheitlich waren, als sie KünstlerInnen aufforderten, neue Arbeiten für spezifische Situationen zu liefern oder die Ergebnisse von auf diese Weise hergestellter Arbeit auszustellen. Man begann, diese Form der künstlerischen Aktivität, sehr locker und zunächst nur zu praktischen Zwecken, als Projekt zu bezeichnen; KünstlerInnen wurden aufgefordert, für eine bestimmte Ausstellung "ein Projekt durchzuführen". Sonsbeek, Arnheim; Unité, eine Ausstellung, die in der unbewohnten Hälfte eines Gebäudes des sozialen Wohnungsbaus von Le Corbusier in Firminy organisiert wurde; Kontext Kunst in der Neuen Galerie in Graz; On taking a normal situation, die Ausstellung für Antwerpen '93 im Museum van Hedendaagse Kunst; Sculpture Chicago; und Viennese Story in der Wiener Sezession bestanden ausschließlich aus Projekt-Arbeiten, während die Whitney Biannual und die Biennale in Venedig eine Anzahl EinzelkünstlerInnen einschloß, die auf ähnliche Weise arbeiteten. Gleichzeitig erfuhren viele der KünstlerInnen, die an diesen Ausstellungen teilnahmen, einen Zuwachs an Einladungen, individuelle Projekte für Organisationen durchzuführen.

Im Herbst 1993 begann ich, mich mit Michael Clegg, Mark Dion und Julia Scher in New York zu treffen, um die Probleme zu besprechen, auf die wir und KünstlerInnen aus unserem Bekanntenkreis stießen, als wir uns an den Ausstellungen des letzten Jahres beteiligten. Diese Probleme reichten von dem sehr praktischen "Problem, bezahlt zu werden" bis hin zu Erfahrungen von Zensur und Sorge über den Verlust von Autonomie. Zusätzlich zu der Durchführung ortsspezifischer Projekte für wenig oder gar kein Honorar wurde von KünstlerInnen üblicherweise erwartet, daß sie Einladungen, Plakate, Ankündigungen und Kataloge entwerfen, Katalogtexte schreiben oder Teile des Katalogs ausarbeiten, ohne für ihre Arbeit vergütet zu werden. KünstlerInnen, die prinzipiell keine Projekte durchführen, ohne ein Honorar zu erhalten, wurden in Ausstellungen als "schwierig" angesehen, und die anderen KünstlerInnen der Ausstellung wurden gegen sie aufgehetzt. Manchmal versprach man KünstlerInnen ein Honorar, nur um ihnen nach der Ausstellungseröffnung mitzuteilen, daß man dieses Honorar als Teil des Projektbudgets angesehen hatte und es bereits bei der Vorbereitung aufgebraucht worden war. Künstlerbudgets wurden offengelassen, wenn die Fertigstellung ihrer prozeßorientierten Projekte länger dauerte, als die temporären Ausstellungen, für die sie in Auftrag gegeben worden waren. Es gab KünstlerInnen, die einige Wochen nach der Eröffnung an Ausstellungsorte zurückkehrten und feststellen mußten, daß man ihre Arbeiten nicht pfleglich behandelt hatte, daß sie nicht in Betrieb oder sogar gänzlich entfernt worden waren. Oder die KuratorInnen bauten Projekte bei Beendigung der Ausstellungen wieder ab, ohne dies vorher mit den KünstlerInnen zu besprechen, wodurch die Projekte zerstört wurden. Oder die Organisationen weigerten sich, das abgebaute Material bei Beendigung der Ausstellungen zurückzugeben. Einige KünstlerInnen, die vergängliche Projekte durchführten, stellten nach dem Abbau der Ausstellungen fest, daß sie keinerlei Rechte auf die Dokumentationen hatten, die von den Organisationen erstellt worden waren (oder daß sie zahlen mußten, um sich Zugang dazu zu verschaffen). Oder Projekte wurden, sobald aus ihrem Entwurf die erforderlichen Vorbereitungen und eine kritische Einstellung eindeutig hervorgingen, im Verlauf der Vorbereitungen gestrichen, wenn das Material zu heikel oder schwierig wurde. Oder KuratorInnen beanspruchten für sich das Recht, das Material vor der Präsentation zu überprüfen und zu überarbeiten.

Neben diesen besonderen Erfahrungen gab es ein grundsätzliches Problem: Am Ende eines sehr aktiven Jahres, in dem sie Arbeiten für Ausstellungen lieferten, die ein großes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit erlangt hatten und über einen hohen Prestigewert verfügten, stellten viele der beteiligten KünstlerInnen fest, daß sie erschöpft und verschuldet waren. Die Unterstützung durch Institutionen und die Öffentlichkeit, für die die große Anzahl der Ausstellungen ein Beweis sein sollte, wurde nicht nur nicht in materielle oder gar ausreichende praktische Unterstützung umgesetzt, sondern schränkten diese in vielerlei Hinsicht sogar ein. Es schien, als ob von vielen von uns erwartet wurde, daß wir zwei Beschäftigungen nachgehen sollten: der einen gegen Bezahlung, der anderen auf freiwilliger Basis. Die Arbeit - sowohl im Sinne der Tätigkeit als auch des künstlerischen Produktes - die wir für spezielle Orte und Situationen leisteten, die von den KuratorInnen bestimmt wurden, konnte oft entweder gar nicht in den Kunstmarkt transferiert werden oder nur auf Kosten einer ernstlich falschen Repräsentation der Prinzipien der Projekte. Manchmal war dies eine beabsichtigte Wirkung der Eigenschaften der Projekte selbst, besonders, wenn die Projekte dazu dienten, einen Prozeß zu entwickeln, ohne daß dieser materielle Gestalt annahm. Selbst wenn Ergebnisse eines Projektes materielle Gestalt annahmen, verlor die Arbeit außerhalb ihres Kontextes gewöhnlich umso mehr an Bedeutung, Relevanz und Interesse, je spezifischer sie auf einen bestimmten Ort oder eine Situation zugeschnitten - und je gelungener sie folglich war.

Während viele dieser Probleme offensichtlich durch einen Mangel an materieller Unterstützung für Projektarbeit verursacht wurden, erzeugte die kritische Akzeptanz eine Nachfrage nach Projekten seitens kultureller Organisationen, die eindeutig nicht nur eine Nachfrage nach bestimmten EinzelkünstlerInnen war. Diese Nachfrage bot den ProjektkünstlerInnen die Aussicht auf eine gewisse Macht und auf die Möglichkeit, gemeinsam Schritte zu unternehmen, um mit Hilfe dieser Macht unsere materiellen Interessen zu vertreten und die Bedingungen zu fördern, die der Entwicklung einer in unseren Augen wichtigen Form künstlerischer Aktivität dienlich sind.

Die Treffen der KünstlerInnen im Herbst 1993 resultierten in einem Fragebogen zu den bevorzugten Arbeitsbedingungen, der an etwa 30 KünstlerInnen, die sich im Bereich von Projektarbeit engagieren, geschickt wurde. Wir beabsichtigten, eine Datenbank zu erstellen, die die KünstlerInnen ermutigen sollte, bestimmte Forderungen zu stellen, und die außerdem als Grundlage für einen allgemeinen Vertrag dienen könnte, der von einer größeren Gruppe entwickelt werden sollte, die wir zu versammeln hofften. Gleichzeitig begannen Helmut Draxler und ich, einen Entwurf für Services zu entwickeln.

Services wurde als laufendes Projekt betrachtet. Seine Manifestation im Kunstraum der Universität Lüneburg sollte das erste der - wie wir hofften - zweimal im Jahr stattfindenden Treffen werden, die durch unterschiedliche zeitgenössische Kunstorganisationen unterstützt werden sollten. Die Treffen und die sie begleitende Installation - die wir eine "Arbeitsgruppen-Ausstellung" nannten - sollten die Grundlage für ein andauerndes Forum werden, in dem sich KünstlerInnen und KuratorInnen, die an Projektarbeit beteiligt sind, einen Rahmen für ihre Aktivitäten schaffen können, der das Praktische und Theoretische einschließen könnte, indem er sowohl die materiellen wie auch die politischen und künstlerischen Anliegen umfaßt. Die Dokumentation historischer und aktueller Aktivitäten, die neben Videobändern von den Treffen selbst zur Unterstützung dieser Diskussionen gesammelt wurde, sollten zu einem problemlos kopierbaren und zu verteilenden Archiv werden, das durch die Installationen, die die Arbeitsgruppen-Diskussionen begleiten sollten - für die jeweils ein Kopiergerät zur Verfügung stehen würde - bereitgestellt und später durch die verschiedenen fördernden Organisationen aufbewahrt werden sollte. Die Installation sollte außerdem von selber zirkulieren zwischen Arbeitsgruppen-Treffen und Organisationen, die nicht über Ressourcen verfügen, die Treffen zu sponsorn, ferner hofften wir, daß eine zweimal jährlich erscheinende Publikation ausgearbeitet werden könnte, mit Zusammenfassungen oder gekürzten Protokollen von Arbeitsgruppen-Diskussionen sowie einer Präsentation von verwendetem historischem Material, das für die Installationen gesammelt wurde.

Nachdem wir den Entwurf fertiggestellt und die TeilnehmerInnenliste bestätigt hatten, arbeiteten Helmut Draxler und ich ein Programm für die Arbeitsgruppen aus. Wir luden die TeilnehmerInnen ein, eine Sitzung auszuwählen, zu der sie eine kurze, informelle Präsentation anfertigen würden. Diese Präsentationen sollten keine vollständigen Beschreibungen von Projekten sein, sondern sich auf Probleme oder Lösungen konzentrieren, die ein bestimmtes Projekt zu den durch das Thema der Sitzung vorgegebenen Bedingungen aufwarf. Außerdem wurden die TeilnehmerInnen gebeten, Dokumentationen von Projekten, die sie diskutierten wollten, als Beitrag für die Installation einzubringen. Einige KünstlerInnen, die nicht teilnehmen konnten - Mark Dion, Group Material, Louise Lawler and Julia Scher - steuerten ebenfalls Material bei. Statt einer vollständigen Dokumentation bestimmter Projekte baten wir um spezielles Material: das Einladungsschreiben oder das den ursprünglichen Entwurf darlegende Schreiben; den Vertrag oder ein Schreiben über eine Vereinbarung und eine kurzgefaßte Dokumentation des Projektes selbst. Ziel dieser Auswahl war es, das Projekt in den Kontext der Zusammenhänge zu setzen, in dem es durchgeführt wurde, um sich entweder überlegen zu können, wie diese Zusammenhänge die Entwicklung des Projektes bestimmt haben könnten oder aber, wie das Projekt die Zusammenhänge beeinflußt haben könnte, unter denen es durchgeführt wurde.

Ebenso wie dieses heutige Material war das historische Material, das in der Installation zusammengetragen wurde, auf eine Wiedereingliederung der Fragen und Strategien ausgerichtet, die von KünstlerInnen gemäß den Bedingungen und Zusammenhängen der künstlerischen Produktion entwickelt wurden. Das historische Material konzentrierte sich vorrangig auf die Aktivitäten der Art Workers Coalition (AWC) in New York zwischen 1969 und 1973. Die AWC war wahrscheinlich der wichtigste Versuch, der von amerikanischen KünstlerInnen nach dem Krieg unternommen wurde, sowohl die materiellen Bedingungen ihrer Praktiken als auch ihre gesellschaftliche Funktion neu zu definieren - insbesondere hinsichtlich der Beziehungen zu den öffentlichen und privaten Organisationen, die Kunst ausstellen. Viele der Grundsatzänderungen, die die AWC von den Museen dringend forderte - freier Eintritt, gleiche Vertretung von KünstlerInnen, Museumsangestellten und Mäzenen in den Museumsausschüssen; Zahlungen an KünstlerInnen, wenn ihre Arbeit ausgestellt wird und eine starke Repräsentation von KünstlerInnen, die Minoritäten angehören, in Sammlungen und Ausstellungen - wurden nie realisiert. Jedoch trieb die AWC die Entwicklung von kommunalen Kulturzentren, von Ausstellungseinrichtungen, die von KünstlerInnen betrieben werden, und von politischen und aktivistischen künstlerischen Praktiken - besonders die institutionelle Kritik - voran. Sie trug ferner, durch einen Widerstand gegen feministische Problemstellungen, zur Entstehung eines unabhängigen Women's Art Movement bei. Richtlinien für die Präsentation in Museen, Verträge für kommerzielle Kunstgalerien und den Weiterverkauf von Kunstwerken, die die AWC entwickelt hatte, wurden als mögliche Vorlagen für Projektverträge vorgestellt. Außerdem wurde ein möglicher Einfluß der Forderungen der AWC auf das Zustandekommen des KünstlerInnenhonorars - und somit auf die Entwicklung von künstlerischer Praxis als Dienstleistung - in Betracht gezogen.

Zusätzlich zum Material über die AWC beinhaltete der historische Teil der Installation auch die Dokumentation der Vermittlung der Guggenheim-Ausstellung von Hans Haacke im Jahre 1971; Dokumentationen der Gruppen Artists Meeting For Cultural Change, Fashion Moda und Internationales Künstlergremium sowie Texte und Dokumentationen der Arbeiten von KünstlerInnen, wie beispielsweise Michael Asher, Christian Boltanski, Marcel Broodthaers, Daniel Buren und die Guerilla Art Action Group.

Die Treffen der Arbeitsgruppen und die Installation in Lüneburg sollten als Modell dienen, und zwar nicht nur für Services als laufendes Projekt, sondern auch für die Rolle von Ausstellungen und von Organisationen, die Kunst ausstellen und sich mit den auf Projekten basierenden Praktiken befassen. In dieser Hinsicht war Services sowohl durch eine Kritik an Ausstellungen und Symposien motiviert als auch an der Projektarbeit selbst als einer Alternative zu künstlerischen Organisationen, die durch ihre Funktion als Aussteller von Kunstobjekten charakterisiert sind.

Viele ProjektkünstlerInnen sehen sich, wenn sie zur Teilnahme an Ausstellungen aufgefordert werden, dem Problem gegenüber, daß zahlreiche Projekte nicht als Objekte und Installationen exisitieren, die wieder aufgebaut werden können. Services beschäftigte sich mit diesem "Problem" als einem Problem, das nicht die Projekte, sondern die Ausstellungen an sich betrifft. In dem Maße, in dem Ausstellungen verlangen, daß eine Begegnung physischer Art mit dem Objekt (oder Environment) stattfindet, werden die Praktiken marginalisiert, die nicht auf Produktion beruhen. Angesichts der Tatsache, daß immer mehr KünstlerInnen sich zu einer problemorientierten Arbeit bekennen, scheint ein zunehmend unerträglich werdender Widerspruch zwischen den Anliegen der KünstlerInnen und den Objekten zu bestehen, die sie zum Zwecke ihrer Zurschaustellung in Ausstellungsräumen anfertigen.

Was kann eine Kunstausstellung sein, wenn nicht die Möglichkeit, Kunstwerke in ihrer physischen oder zeitlichen Gestalt zu erleben? Da Videos Services eine zeitliche Dimension verliehen, welche die Existenz von Services als Ausstellung (anstelle einfach einer Veröffentlichung) "rechtfertigten", bemühten wir uns um einen physischen Aspekt, welcher sich nicht um Kunstgegenstände drehen sollte, sondern um die sozialen Interaktionen, für die der Ort der Ausstellung einen Rahmen bilden würde. Der Tisch, an dem die Arbeitsgruppe zusammenkam, verblieb zur freien Verfügung im Raum, so daß die BesucherInnen ihn benutzen konnten, wenn sie lasen und über das Dokumentationsmaterial sprachen, das sie von den Pinwänden nehmen konnten. In dieser Hinsicht hofften wir, daß sowohl die Zusammenkünfte der Arbeitsgruppen als auch die Videoaufzeichnungen zu anhaltenden Diskussionen unter denjenigen führen würden, die den Raum während der Installation benutzten.

Von der Konzeption her war klar, daß Services sich nur für Organisationen eignen würde, die für KünstlerInnen und andere Kunstfachleute - Kultur-Interessensgemeinschaften - eingerichtet werden, nicht aber für Organisationen, die sich an die "breite Öffentlichkeit" wenden. Dieses Unterscheidungsmerkmal bei künstlerischen und kuratorischen Aktivitäten als Faktor einzuführen, war eine der Voraussetzungen, die Services zugrunde lag.

Ungeachtet ihrer Sponsoren tendieren die meisten zeitgenössischen Kunstausstellungen dazu, die Aufgabe, der "breiten Öffentlichkeit" Informationen über aktuelle künstlerische Aktivitäten zu liefern, mehr oder weniger als Selbstzweck zu betrachten. Über dieses Maß an Information hinaus wird die spezifische Frage selten gestellt, was einzelne KünstlerInnen oder Werke einem bestimmten Publikum bieten können. Wird sie gestellt, so geschieht dies häufig auf einer inhaltlichen Ebene, welche die Tatsache verkennt, daß das für das Verstehen dieser Inhalte erforderliche Wissen um die Codes der zeitgenössischen Kunst nicht gleichmäßig verteilt und möglicherweise nicht im Besitz genau derjenigen Menschen ist, denen durch das Werk gedient werden soll. Zahlreiche KünstlerInnen und KuratorInnen, die in Zusammenhang mit Services tätig waren, suchen dieses Problem zu bewältigen, indem sie entweder die Orte und die Codes der Kunst (sowie auch die Kunstobjekte) zu übergehen versuchen, oder indem sie sich reflexiv mit ihnen auseinandersetzen, wobei sie, in beiden Fällen, den Ort des Werkes eher als Mittel verwenden, um in eine Reihe von sozialen Erfahrungen einzugreifen, die für ein bestimmtes Publikum unmittelbare Relevanz besitzen. Wenn aus diesen Strategien das Verfahren wird, sich an die "breite Öffentlichkeit" von Organisationen zu wenden, wie beispielsweise städtische Museen und öffentliche Ausschüsse für künstlerische Angelegenheiten, oder an die speziellen Gemeinschaften, die durch sie zugänglich werden, was wird dann aus den Kultur-Interessensgemeinschaften, für die Institutionen wie beispielsweise ICAs und Kunstvereine gegründet werden? Services lieferte eine Antwort auf diese Frage: Verwandeln Sie die Ausstellung in ein Forum für Fragen, die für KunststudentInnen und Kunstfachleute - dem Hauptpublikum der Organisationen von Kultur-Interessensgemeinschaften - von unmittelbarer praktischer Bedeutung sind.

Indem Services für Organisationen von Kultur-Interessensgemeinschaften diese Funktion vorsah, war Services zugleich implizit eine Kritik an der Gruppenausstellung und dem öffentlichen Symposium als Mechanismen, durch welche diese Organisationen ihre Aufgabe zu erfüllen suchen. Das Verkennen der Tatsache, daß Programmen, die einer "breiten Öffentlichkeit" Informationen liefern sollen, ein spezialisiertes Publikum inhärent ist, reduziert diese Programme wirksam darauf, als Schauplatz symbolischer Kämpfe von Kunst-ProduzentInnen untereinander zu fungieren. In dem Maße, in dem die Programmplanung nicht durch die unmittelbaren Belange partikulärer Publikumsgruppen bestimmt ist, wird das "allgemeine Publikum" auf Anhänger, AbonnentInnen und Investoren reduziert, um welche die Kunstfachleute im Kampf um Legitimität und Prestige konkurrieren. Jede öffentliche Gegenüberstellung von individuellen künstlerischen Positionen auf Podiumsdiskussionen und Ausstellungen, welche die BetrachterInnen auffordert, zu vergleichen, gegenüberzustellen und die KünstlerInnen im Vergleich zu beurteilen, schreibt KünstlerInnen und Werke erneut in diese durch Konkurrenz geprägte Struktur ein, die sie gleichzeitig - ungeachtet der beabsichtigten Effekte - auf ihre formalen oder strategischen Unterschiede reduziert.

Was hat Services erreicht? Liest man den Entwurf erneut, wird vor allem deutlich, was Services nicht erreicht hat. Services hat nicht zu irgendwelchen besonderen Resolutionen hinsichtlich der Probleme praktischer Art geführt, denen KünstlerInnen sich gegenübersehen, wenn sie in Projektarbeit involviert sind. Services hat auch keinen allgemeinen Vertrag produziert, keine Politik oder Vereinigung hervorgebracht, welche eine Lobby für die Wahrnehmung der Interessen von ProjektkünstlerInnen darstellen könnte. Services hat keine Antworten auf Fragen zur Gefährdung der künstlerischen Autonomie durch die Professionalisierung oder die Konstruktion von kulturellen Organisationen als "Kunden" gegeben. Und Services ist auch nicht zu den Wurzeln der zwischen KünstlerInnen, KuratorInnen, kulturellen Organisationen und dem Publikum herrschenden Konflikte vorgedrungen. Services konnte - durch das für die Installation zusammengestellte Material - keine zusammenhängende Geschichte der Verwandlung der Beziehungen unter KünstlerInnen, KuratorInnen und kulturellen Organisationen liefern, keine der Professionalisierung der Tätigkeit der KuratorInnen, des Honorars der KünstlerInnen oder der Rolle, welche besondere Phänomene in diesen Entwicklungen spielen. Schließlich vermittelte Services nicht die Bedeutung oder die Relevanz des Konzepts der Bereitstellung von Dienstleistungen für zeitgenössische künstlerische Praktiken.

Waren dies die Ziele von Services? Im Rückblick, der ebenso stark durch Revision wie durch Reflexion beeinflußt sein kann, sehe ich sie zumindest nicht als die vorrangigen Ziele. Letztendlich hatte Services etwas viel einfacheres und meiner Meinung nach grundlegenderes zum Ziel; etwas, das außerdem die Voraussetzung für das Erreichen all dieser anderen Ziele war. Mehr als ein Forum für die speziellen Fragen, die im Entwurf vorgestellt wurden, war Services konzipiert als das Modell einer Alternative zu dem, was in unseren Augen die verfügbaren Orte innerhalb des Kunstfeldes waren. Heute würde ich sagen, daß die Verwirklichung dieser Alternative nicht in einem externen Verhältnis zu den im Entwurf vorgestellten Themen steht. Sie ist vielmehr die Bedingung für ihre Realisierung.

Vor allem war Services eine Antwort auf ein, meiner Ansicht nach, sehr grundlegendes Problem; fast alle verfügbaren Stätten des Kunstfeldes, seien sie physisch oder diskursiv, sind grundlegend auf die Erzeugung des Glaubens an den Wert unterschiedlicher Arten der kulturellen Produktion ausgerichtet, und zwar sowohl künstlerisch als auch kritisch; d.h. auf Legitimierung. Man könnte behaupten, daß sämtliche Ausstellungen, ob sie nun in kommerziellen oder nichtkommerziellen Räumen stattfinden, ihre BesucherInnen als potentielle SammlerInnen konstruieren. Genauer gesagt konstruieren sie ihre BesucherInnen als Menschen, die ihr ökonomisches, kulturelles oder soziales Kapital in bestimmte Praktiken investieren - oder auch nicht. Desgleichen werden die Adressaten von Kunstmagazinen und -symposien meistens als AbonnentInnen oder potentielle AbonnentInnen betrachtet, und zwar nicht von Veröffentlichungen oder Ereignissen, sondern von Positionen, welche die SchreiberInnen und RednerInnen beziehen. Der entscheidende Aspekt ist hierbei, keinen Gegensatz zwischen Befürwortung und Kritik zu erzeugen. Es geht vielmehr darum, daß es innerhalb des künstlerischen Feldes kaum Orte gibt, in denen die Kunst-ProduzentInnen sich in ihrer Eigenschaft als Kunst-ProduzentInnen aneinander wenden, und zwar nicht entsprechend den intellektuellen oder künstlerischen Positionen, die sie bei kulturellen Fragen beziehen, sondern entsprechend den Positionen, die sie innerhalb eines Feldes der kulturellen Produktion innehaben, die durch die sozialen Bedingungen dieses Feldes und die sozialen Beziehungen, die es strukturieren, bestimmt werden. Das Fehlen solcher Orte stellt nicht nur die Atomisierung der Kunst-ProduzentInnen bei den Konkurrenzkämpfen um professionelle Legitimität sicher, sondern beschränkt auch die Entwicklung eines Rahmens, in dem Funktion und Wirkung - nicht nur der symbolische Wert - von künstlerischen Praktiken bewertet werden können.

Ich würde sagen, daß das grundlegende Ziel von Services in gewisser Weise darin bestand, ein Forum ins Leben zu rufen, in welchem die teilnehmenden KünstlerInnen und KuratorInnen sowie die BesucherInnen der Installation insbesondere über Projektarbeit - und auch über die Praxis der Kunst im allgemeinen - nachdenken würden, und zwar nicht nur als einer Form von symbolischen Systemen, seien sie themengebunden oder formalisiert, sondern auch im Hinblick auf Bedingungen und Verhältnisse, die diese determinieren und möglicherweise ablehnen oder reproduzieren. Die Probleme praktischer Art, die sich aus der Projektarbeit ergeben, und die deutliche Beziehung, die zwischen diesen Problemen und den Strategien einzelner Werke besteht, schufen die Grundlage für diese Überlegung. Und diese Überlegung wiederum würde die Voraussetzung für das Erzielen einer relevanten Lösung für die Probleme praktischer Art darstellen.

Es mag offensichtlich erscheinen, daß jegliche Bemühung von KünstlerInnen und KuratorInnen, ihre Probleme praktischer Art zu lösen, voraussetzt, daß sie sich in Bezug auf die gemeinsamen Probleme praktischer Art, um deren Lösung sie sich bemühen, gegenseitig als ProduzentInnen ansprechen. Möglicherweise ist die Tatsache weniger offensichtlich, daß zahlreiche dieser Probleme selbst nicht auf dem Fehlen dieser Foren an sich beruhen, sondern auf der Struktur, die ihre Entwicklung behindert: die Ausrichtung der künstlerischen Orte an der Funktion der Legitimation. Der Widerwillen der Organisation hinsichtlich der Bereitstellung von angemessenen Honoraren kann beispielsweise als von der Tatsache herrührend betrachtet werden, daß die meisten kulturellen Institutionen noch immer der Ansicht sind, ihre Rolle bestünde im Erkennen, Veröffentlichen und Weihen künstlerischer Richtungen - einem Dienst, von dem die KünstlerInnen später mit Hilfe der GaleristInnen durch den Verkauf der somit legitimierten Werke profitieren.

Für das Projekt Services gaben zwei grundlegende Umstände den Anstoß. Einer wurde im Entwurf explizit genannt und wurde in den Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppen behandelt: die Probleme praktischer und materieller Art von ProjektkünstlerInnen. Der zweite wurde nie explizit dargelegt, er bestimmte jedoch, möglicherweise sogar noch grundlegender, die Gestalt des Projekts sowie das für die Installation zusammengetragene Material: das ist das Fehlen von Orten innerhalb des künstlerischen Feldes, in welchen kulturelle ProduzentInnen einander als ProduzentInnen ansprechen können. Die meisten der im Entwurf berücksichtigten Aspekte des Projekts wurden möglicherweise nicht ausgearbeitet oder vollendet. Das historische Material, welches für die Installation zusammengetragen wurde, war möglicherweise unschlüssig. Das Konzept von Services selbst wurde niemals wirklich diskutiert. Und trotz all dieser offensichtlichen Mängel halte ich das Projekt für einen Erfolg. Es liegt als Modell für ein Forum vor, welches, meiner Meinung nach, die Voraussetzung dafür ist, diese anderen Ziele erreichen zu können. Rückblickend bin ich der Meinung, daß dies schon immer die eigentliche Zielsetzung gewesen sein muß.

[aus: Beatrice von Bismarck, Diethelm Stoller, Ulf Wuggenig (Hg.), Games, Fights, Collaboration. Das Spiel von Grenze und Überschreitung, Stuttgart: Cantz 1996]