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04 2003

Nach der letzten Revolution

Einige Notizen über Belgrad

Teodora Tabacki

Übersetzung: Hito Steyerl

Das grundlegende Problem mit dem Anti-Amerikanismus, der heute so beliebt ist, ist, dass er nicht nur die US-Außenpolitik zum Ziel hat, sondern auch das "alte Europa" idealisiert. Und jeder meta-ideologische Konflikt verschiebt innere soziale Konflikte. Der Feind ist niemals "da draußen". "Wir" sind der Feind. Empire bedeutet nicht, dass die CIA oder Bush junior die Welt beherrschen; wenn man sagt, dass das Lokale das Globale reflektiert, impliziert das auch, dass der Machtapparat auf ähnliche Weise funktioniert. Obwohl es unmöglich ist, die Unterdrückung, welche mit Macht in einem bestimmten sozio-politischen Apparat assoziiert ist, zu lokalisieren, da sie in einem komplexen Netzwerk sozialer Kontrolle verstreut ist, dominieren gewisse Aspekte. Da ich vor einigen Wochen in Belgrad war, könnten einige Geschichten erhellend sein.

Ich war zunächst schockiert, in den Hauptnachrichten des angeblich progressiven TV-Senders B92 zu erfahren, dass am selben Tag Jesus Christus auferstanden war. Danach erklärte der Patriarch in seiner Ansprache, dass trotz einiger (böser) Menschen, die die Kirche reformieren möchten, wir genau so weitermachen würden, als habe sich seit zweitausend Jahren nichts geändert (ich nehme an, insbesondere was bürgerliche Freiheiten betrifft). Die nächste Nachricht war der klerikale Hardliner Amfilohije, der die Montenegrinischen Autoritäten mit Pilatus verglich. Belgrads Bürgermeister Radmila Hrustanovic erklärte dann Waisen die Bedeutung von Ostern, und die königliche Familie hatte eine weitere Gelegenheit, um ihre fromme Großzügigkeit unter Beweis zu stellen, indem sie Spielzeug verschenkte. Es ist jenseits der Dummheit, zu denken, dass religiöser Fundamentalismus ein islamisches Phänomen sei. Wie wir weltweit gesehen haben (vor allem nach dem 11.9.), ist die Allianz zwischen dem Großkapital und Fundamentalisten der allgemeine Trend.

Der Krieg in Irak fand im Grunde nie statt. Es war eher eine hygienische Operation, die dem Fernsehpublikum vom Militärexperten Miroslav Lazanjski erklärt wurde, der in früheren Jahren berühmt wurde, indem er die Serben überzeugte, dass die Nato-Aggressoren keinesfalls siegen konnten, weil unsere Armee hoch motiviert, gerecht und unbesiegbar sei. Wenig erstaunlicherweise ist er wieder auf Linie mit der offiziellen Position – nämlich der, in Bush verliebt zu sein, und dessen noble Mission der Demokratisierung des Mittleren Ostens anzuerkennen. Als er nach dem Gerücht gefragt wurde, dass amerikanische Soldaten nur eine Mahlzeit pro Tag bekommen, meinte er affektiert: "Aber Sie verstehen nicht, das sind amerikanische Mahlzeiten!".

Andere internationale Nachrichten waren mehr als bizarr: eine Busentführung in Bremen, oder die SARS Epidemie in China. Mit dem Bewusstsein, dass die Struktur des Staates essenziell ist, damit der Kapitalismus den Mehrwert realisieren kann – sonst wäre der Kapitalismus niemals liberal, sondern Staatskapitalismus – wird es klarer, warum der Informationsfluss eingedämmt werden muss und unsere Probleme immer als zu gross oder nur der Einbildung zugänglich dargestellt werden. In diesem Moment kam es ganz gelegen, dass Premierminister Djindjic ermordet wurde. Abgesehen von der tragischen Dimension, die darin lag, gab es eine Menge Dinge, die ich extrem lustig fand.

Zunächst war es eine ausgezeichnete Gelegenheit, Biographien zu modifizieren. In der neoliberalen Hysterie erinnerten sich manche an Djindjic als jenen Typen, der schon als Student nicht nur bewiesen hatte, dass Marx nicht der Größte war, sondern sogar auch, dass er nicht mal wichtig war. Sogar der alte Habermas wurde aus dem Schrank geholt, um zu erklären, wie sie lange und fruchtbare Diskussionen in Korcula geführt hatten. Leider hatte die Korcula-Schule schon aufgehört zu existieren, noch  bevor Djindjic angefangen hatte zu studieren. Als Student insistierte er darauf, Marxismus als ein eigenes Fach zu belegen (während die Philosophische Fakultät dies vermied, indem sie behauptete, dass die Gegenwartstheorie ausreichend sei). Er schloss mit einer Dissertation über die marxistische Renaissance bei Karl Korsch ab, dessen Hauptargument hier wiedergegeben sei: "Der Weg der Revolution ist lang und hart, der Weg der Konterrevolution ist kurz und einfach und endet mit einer Kugel im Kopf" – wenn jemand zynisch sein wollte, lag er fast richtig: die Kugel verfehlte knapp seinen Kopf.

Durch die Verhängung des Kriegsrechts (ein Verfahren, das sonst in der Verfassung nicht erwähnt wird, aber legale Dokumente sind immer politischer Interpretation unterworfen – wer auch immer glaubte, dass das Gesetz jenseits der Politik steht, erlebte eine endgültige Realitätsprüfung anlässlich des Wahlbetrugs in den USA) hatte die Regierung unbeschränkte Macht, wen auch immer sie wollte bis zu 60 Tagen ohne Prozess, ohne Anwalt, zu verhaften und festzuhalten. Wenn am 5. Oktober wütende Massen beschlossen hätten, die Häuser der Mafia/Businessmänner/Milosevics politscher Elite zu konfiszieren oder niederzubrennen, hätte ich kein großes Problem damit gehabt. Dennoch ist ein Staat, der ein Revolutionstribunal betreibt, etwas vollständig anderes – das Wort Faschismus kommt einem in den Sinn.

Unter anderen, die verhaftet wurden, war auch ein Freund von mir – einer der wenigen anarcho-syndikalistischen Aktivisten in Belgrad. Er beleidigte persönlich den Minister für Arbeit und soziale Angelegenheiten Milovanovic (der zur selben Zeit der Vorsitzende einer der zwei regierungsnahen Gewerkschaften ist), indem er "radikale" Zeitungen vor "seiner" Fabrik verteilte. Der unmittelbare Grund für die Verhaftung war die Verbreitung eines öffentlichen Statements, das besagte, dass die Organisation ihre Aktivitäten trotz des Kriegsrechts fortsetzen würde. Die Tatsache, dass dies nicht nur völlig legal war, sondern darüber hinaus auch nichts mit der Ermordung des Premierministers zu tun hatte, änderte daran nicht viel. In der Zwischenzeit gründete Milovanovic eine Arbeitspartei. Der Name klingt absolut lächerlich, wenn man weiß, dass das Wort "rad" zwar im Serbokroatischen existiert, mit der logischen Ableitung "Radnichka Partija" (Arbeiter Partei), aber gute Kontakte mit Blairisten hier gewiss wichtiger sind, als Worte zu verwenden, die Arbeiter verstehen könnten. Sie sind sowieso nicht das privilegierte (revolutionäre) Subjekt. Die rote Farbe kam auch nicht in Frage, nicht einmal in Angelegenheiten der Dekoration. Als  Milovanovic über Pläne fuer den Ersten Mai befragt wurde, antwortete er gelassen, dass er von "kommunistischen Feiertagen" nichts halte.

Der Mord belebte schließlich den Persönlichkeitskult bis zu einem Punkt, an dem vergessen wurde, dass Djindjic nicht Tito war. Das erklärt vermutlich die Tatsache, dass inmitten des ganzen Kirchen-Kitsches und der militärischen Bataillons aus Versehen der "Lenin Marsch" gespielt wurde, als der Sarg herabgelassen wurde. Es gab nicht viele Leute, die dies bemerkten – als neureligiöse und angeblich überzeugte Antikommunisten konnten sie schließlich nicht wissen, dass diese Melodie ausschließlich ein Bestandteil kommunistsicher Begräbnisrituale war.

Die Hauptstraße (einst Marschall Titostraße genannt, dann Serbische Herrscher und jetzt König Aleksandar) wird jetzt renoviert. Gerüchte besagen, dass nicht nur die "Bau"firma, die ohne öffentliche Ausschreibung beauftragt wurde, um die Arbeiten durchzuführen, Mafia/Geschäftsleuten gehört, sondern dass sie nicht einmal Machinen besaßen, bevor der letzte Premierminister das Geld der Steuerzahler in ihre Anschaffung investierte. Obwohl es Dutzende anderer Straßen gibt, die dringend der Renovierung bedürften, ist die Hauptstraße von besonderer Bedeutung, weil ausländische Diplomaten nicht weitergehen würden und ein gutes Image die höchste Priorität des "nationalen Interesses" darstellt. Das hilft, der Nato näher zu kommen, und dann werden die Sanktionen auf den Import von Waffen aufgehoben und Serbien kann mit schönen und hypermodernen Waffen spielen. Warum zum Beispiel nicht noch einmal Kosovo und Bosnien von Zivilisten "befreien"? Die rechtsstaatliche "Demokratie" und "Öffentlichkeit" erweisen sich als inkompatibel, weil kein Unterschied zwischen Kriminellen und dem Finanzsystem existiert.

Wie überall sonst auf dem Balkan oder in Osteuropa, sind die ersten ausländischen Investitionen üblicherweise die schmutzigsten. Dennoch lässt die Tatsache, endlich Kreditkarten zu besitzen, jegliche Beschäftigung mit den Finanzskandalen der letzten Jahre sowohl der Raiffeisenbank als auch der Societé Génerale völlig unangemessen erscheinen. Plakatwände mit identischen Ballantines Werbungen in authentischen Nationalsprachen in ganz Jugoslawien erweisen definitiv die Absurdität von Souveränitätsansprüchen und die Notwendigkeit präziser territorialer Demarkationen, die als Rechtfertigungen für Kriege verwendet wurden. Mindestens drei Viertel der Bevölkerung könen sich gewiss keinen Whisky leisten, aber das schließt sie nicht aus der Zielgruppe des Marketings aus. "Geh spielen!" (in der Bedeutung: Geh dich amüsieren) kann hier metaphorisch verstanden werden.

Es ist es wert, zumindest im Vorübergehen zu bemerken, dass eine der ersten Aktivitäten von Djindjic ein Besuch bei Bill Gates war. Offensichtlich ist Respekt für Copyrights essenziell wichtig dafür, ein Teil der "anständigen" Welt zu sein. Man kann von Diplomaten nicht mehr erwarten, auf dem Recht für Information für alle zu insistieren. Die Tatsache, dass die Serben genauso nationalistisch sind, wie vor 10 Jahren, oder dass die neue politische Elite ebenso enthusiastisch für den Krieg war, wie Milosevic, sollte auf keinen Fall das "demokratische" Paradies stören. Die Tatsache, dass Faschismus die Leute anmacht, ändert sich nicht durch die "freien Medien", und die Bedeutung der Aufklärung bleibt so zweifelhaft wie immer. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts wird endgültig total umgeschrieben. Das Kleinbürgertum kehrt in seinen alten Positionen zurück, und alle Spuren des sozialistischen Erbes werden abgeschafft. Die Privatisierung ist unhinterfragbar und brutal. Politik wird auf eine Angelegenheit der Kultur reduziert – nämlich den Konflikt der zivilisierten Belgrader gegen den asiatischen Primitivismus/Barbarismus. Die "Sei sauber" Kampagne (die die Bedeutung des Gebrauchs von Seife wiederentdeckt und gegen Abfall in den Straßen wirbt) und der Exorzismus des Turbofolk kriminalisieren darüberhinaus die Armut.

Die Arbeit wird für eine Masse von Menschen unabhängig ihres Klassenstatus immer prekärer, und auch das Leben selbst wird es für die Armen. Einige Tage vor dem Ersten Mai erwähnte Branislav Canak, der Vorsitzende der anderen großen Gewerkschaft, dass die Arbeiter nicht zufrieden seien, und dass die Regierung sich somit auf die Gewerkschaften verlassen sollte, um die sozialen Spannungen und mögliche Unruhen zu absorbieren. Auch wenn man die Macht der sozialen Manipulation durch die Gewerkschaften nicht unterschätzt, ebenso wie die intuitive Identifikation mit dem Klassenbegriff und der nationalen Homogenisierung rund um Milosevics Gerichtsverhandlung, scheint es dennoch, dass das soziale Gefälle größer wird und sich in Richtung des argentinischen Szenarios bewegt. Aber jede Krise ist ein offener Raum für Subversion. Ebenso wie woanders werden Institutionen, die die Disziplinargesellschaft konstituierten (Fabrik, Produktivität, Eigentum) von Dienstleistungen, Marketing und Tausch überlagert. Außer dem Bankgeschäft ist die einzige blühende Arbeitsform der professionelle NGO-Aktivismus. Verschiedene Trainingskurse und Training für diese Trainingskurse vermehren sich, mit einem perversen Grad an politischer Korrektheit und Präzision in ihrer Namensgebung. Einige davon konzentrieren sich auf Gewalt in der Familie und die Selbstermächtigung von Frauen. Ich will nicht behaupten, dass diese Themen nicht wichtig seien; das Problem ist eher, dass das zugrundeliegende strukturelle Problem aus Arbeitslosigkeit, prekären Lebensbedingungen und Armut unhinterfragt bleibt.

Lokale Veränderungen bedürfen keiner ganzheitlichen Revolution und die Forderungen politisch organisierter Gruppen können zu systemischen Modifikationen führen, aber der Kapitalismus hat ein ungeheures Potential für Aneignung, und schließt Marker der Klasse, des Geschlechts usw. in die Konsumkultur ein. Jedoch bedeutet ein/e funktionierende/r Kapitalismus/Konsumgesellschaft nicht, dass sie unveränderlich sind: Eine Umkehrung ist natürlich möglich oder auch eine Erfindung statt der Nachahmung – es geht darum, zu experimentieren, ohne über vorgegebenes Wissen zu verfügen.

Weiterhin finde ich es sehr beängstigend, wenn die große Mehrheit der Zivilgesellschaft der Polizei unglaublich bereitwillig ihre Unterstützung bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens anbot. Nicht nur, weil es Skandale bezüglich des Vorgehens gab, und sogar Kriminelle bestimmte Rechte haben, trotz aller populären Ressentiments - wichtiger ist, dass zu leicht vergessen wurde, dass dieselbe Polizei ein Teil des organisierten Verbrechens war/ist und direkt für mehrere Genozide in den Neunzigern verantwortlich. Obwohl mehr als offensichtlich ist, dass der Staat ebenfalls als solcher kriminell ist, entscheidet nur die Macht darüber, wer der Kriminelle /Terrorist ist. Oder allgemeiner: vom Staat die Befreiung zu verlangen ist ebenso naiv, wie bessere Polizisten zu verlangen.

Wenn wir von Intellektuellen sprechen, scheinen öffentliche Aktivitäten out zu sein – solange die bequeme Postion des Dozenten nicht von einem "Diktator" bedroht wird (man könnte behaupten, dass Milosevic niemals ein Diktator war, sondern enorme Unterstützung des Volkes genoss, insbesondere von der nationalistischen Opposition und den Intellektuellen), kann man damit fortfahren, sich über Fragen der Kultur zu unterhalten. Wenig erstaunlicherweise haben die politischen Entwicklungen ihre Pendants in der akademischen Community. Nicht eine einzige Person in der Philosophischen Fakultät in Belgrad beschäftigt sich mit kontinentaler Theorie, um gar nicht erst von Poststrukturalismus zu sprechen. Die, die das taten, wurden zum Gehen gezwungen – und das von Kollegen, nicht von Milosevic. Die Macht ist viel komplexer. Die Konservativen lehren immer noch Phänomenologie, während die vorherrschenden Liberalen auf der analytischen Philosophie bestehen. Bildung ist nicht mehr gratis und für alle offen (nicht mal im Prinzip), sondern wird eher ein zusätzliches Privileg für diejenigen, die es sich leisten können. Alles, was auch nur entfernt an Kommunismus erinnert (gleiche Chancen zum Beispiel), ist peinlich, und viele verstehen sich als progressive Linke, indem sie die liberale Regierung als das geringere Übel gegen den Fundamentalismus unterstützen. Dass diese beiden Phänomene unentwirrbar miteinander verknüpft sind, wird nicht bemerkt. Während ich früher dachte, dass das Land geringe Chancen hatte, solange die Oppostion zu Milosevic existierte, bin ich jetzt sicher, dass das selbe auch für seine Zivilgesellschaft gilt. Wenn an einem gewissen Punkt einige in Erwägung zogen, den "Diktator" loszuwerden, um so die einzig mögliche Vorbedingung zu schaffen, um die Ungerechtigkeit zu überwinden, ist in der Zwischenzeit klar geworden, dass jeder Versuch einer endgültigen Lösung eine politische Leere produziert; die "Gerechtigkeit" zu realisieren wäre gleichbedeutend mit dem Tod. Alle "Revolutionen" werden verraten, oder totgeboren, aber müssen trotzdem wiederholt werden.

Anstatt den Mangel an Repräsentationalismus zu bedauern, die Beratung der Massen oder den Unterdrückten eine Stimme zu geben, scheint es, dass nur das Verschwinden von Talking heads die von öffentlicher Aufmerksamkeit abhängig oder nach ihr süchtig sind, Politik ermöglicht. Niemand ist für niemand anders mehr verantwortlich und die "Multitude" braucht die üblichen Verdächtigen nicht mehr. Ein geteiltes Gefühl einer unerträglichen Auflösung durchzieht das soziale Feld (inklusive der Individuen in Parteien, NGOs, Gewerkschaften,... und anderen unperfekten aber realen Agenten). Der Kapitalismus überschreitet permanent seine Limitierungen, verschiebt die Grenzen, öffnet aber auch revolutionäre Fluchtlinien. Es gibt keine Notwendigkeit für Furcht oder Hoffnung – man muss nur nach neuen Waffen Ausschau halten. Es geht nicht um Anpassung, Vereinheitlichung oder Totalisierung, sondern darum, Begehren in einem gemeinsamen Oszillationsfeld zu verbinden. Nur die Liberalen heulen noch immer: "Warum können wir nicht alle zusammenarbeiten?".

Der Antifaschismus war immer unpopulär, die Räume des Politischen sind selten und überschreiten die Norm. Dennoch gibt es Momente befreiten Begehrens und der Freude daran, den Mechanismus zu stören, bewusst minoritär und niemals eine Mehrheit sein wollend. Um Deleuze/Guattari zu zitieren: "Ein Verräter seines eigenen Geschlechts, seiner Klasse, der Mehrheit zu sein – welchen anderen Grund zu schreiben, könnte es geben." Die direkte Aktion und D.I.Y sind für jeden verfügbar. Das Versagen jeglicher politischen Agenda, die auf totale Emanzipation abzielt, verwandelt lokalisierte Strategien und wechselnde Allianzen in eine praktische Notwendigkeit. Dies betrifft nicht nur den Widerstand, sondern bedeutet auch die Schöpfung von etwas Neuem. Und wir wissen, dass Arbeit immer zum Kotzen ist, während die Erfindung neuer Möglichkeiten extrem lustvoll ist.

Es klingt dumm, sich auf die biologische Tatsache zu verlassen, dass die Generationen wechseln. Dennoch verändern mit der erwähnten Fähigkeit des Systems zur Aneignung neue Marginalisierungen in den gegebenen Machtstrukturen auch die politische Landschaft. Und unzufriedene junge Leute können nicht für immer ignoriert werden. Trotz erfolgreichster Befriedungen, erweisen sich einige Investitionen des Kapitals als riskant. Unerwartete Arten des Schreibens oder des sozialen Umgangs sind manchmal wesentlich verstörender als eine revolutionäre Haltung, die in traditioneller akademischer Form ausgedrückt wird. Die "Revolution" ereignet sich in allen gelebten Fluchten aus disziplinären und normativen Institutionen – oder auch Selbsterfindungen aus dem Nichts. Man könnte schwerlich irgendwas Neues schreiben, aber etwas verschieden zu wiederholen konstituiert immer noch eine politische Aktion. Und es ist offensichtlich, dass eine solche Aktion kein transzendentales Subjekt als Legitimation braucht.