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01 2006

Gouvernementalität und Selbst-Prekarisierung

Zur Normalisierung von KulturproduzentInnen

Isabell Lorey

Für manche von uns KulturproduzentInnen[1] käme es gar nicht in Frage, auf Dauer einen festen Job in einer Institution haben zu wollen, höchstens für ein paar Jahre. Dann müsste es wieder etwas anderes sein. Denn ging es bisher nicht immer wieder auch darum, sich nicht auf eine Sache festlegen zu müssen, nicht auf eine klassische Berufsbezeichnung, mit der ganz viel ausgeblendet wird; sich nicht einkaufen zu lassen und dadurch viele leidenschaftliche Beschäftigungen aufgeben zu müssen? War es nicht wichtig, sich nicht den Zwängen einer Institution anzupassen, um die Zeit und Energie zu behalten, die kreativen und eventuell politischen Projekte machen zu können, an denen das eigene Herzblut hängt? Wurde nicht gerne, wenn es die Gelegenheit dazu gab, für eine Zeitlang ein mehr oder weniger gut bezahlter Job angenommen, um dann, wenn es nicht mehr passte, wieder gehen zu können? Dann war ja zumindest wieder ein bisschen Geld da, um das nächste Herzensprojekt machen zu können, was wahrscheinlich schlecht bezahlt, aber vermeintlich viel befriedigender sein würde.

Bei der hier suggerierten Haltung ist es entscheidend zu glauben, die eigenen Lebens- und Arbeitsverhältnisse seien selbst gewählt und deren Gestaltung sei relativ frei und autonom. Tatsächlich sind die Unsicherheiten, die mangelnden Kontinuitäten unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen zu einem großen Teil durchaus auch bewusst gewählt. Im Folgenden geht es jedoch nicht um die Fragen ‚Wann habe ich mich wirklich frei entschieden?’, ‚Wann agiere ich autonom?’, sondern darum, in welcher Weise Vorstellungen von Autonomie und Freiheit konstitutiv mit hegemonialen Subjektivierungsweisen in westlichen, kapitalistischen Gesellschaften zusammenhängen. Der Fokus dieses Textes liegt dementsprechend darauf, inwiefern durch ‚selbst gewählte’ Prekarisierung die Voraussetzungen dafür mitproduziert werden, aktiver Teil neoliberaler politischer und ökonomischer Verhältnisse werden zu können.

Aus dieser Sicht können keine generellen Aussagen über KulturproduzentInnen abgeleitet werden, auch nicht über all diejenigen, die aktuell prekarisiert sind. Was durch eine Problematisierung dieser ‚selbst gewählten’ Prekarisierung jedoch deutlich wird, sind die historischen Kraftlinien[2] moderner bürgerlicher Subjektivierung, die unmerklich hegemonial sind, normalisierend wirken und möglicherweise „Gegen-Verhalten“ [3] blockieren.

Um die Genealogie dieser Kraftlinien aufzuzeigen, werde ich zunächst auf Michel Foucaults Konzepte von ‚Gouvernementalität’ und ‚Biopolitik’ zurückgreifen. Nicht die Brüche und Risse der Linien bürgerlicher Subjektivierung werden hier fokussiert, sondern ihre strukturellen und sich transformierenden Kontinuitäten mitsamt den Verstrickungen in gouvernementale Techniken moderner westlicher Gesellschaften bis heute. Welche Ideen von Souveränität entstehen in diesen modernen gouvernementalen Dispositiven? Welche Kraftlinien, also welche Kontinuitäten, Selbstverständlichkeiten und Normalisierungen, lassen sich bis zu dem ziehen, was und wie wir als ‚selbst gewählt’ prekäre KulturproduzentInnen in neoliberalen Verhältnissen denken und fühlen, wie wir in der Welt sind, gerade auch in sogenannten dissidenten Praktiken? Verkörpern prekarisierte KulturproduzentInnen durch bestimmte Selbstverhältnisse und Vorstellungen von Souveränität nicht eine ‚neue’ gouvernementale Normalität?

Mit der Genealogie der Kraftlinien bürgerlicher Subjektivierung werde ich im Laufe des Textes zwischen Prekarisierung als Devianz, folglich als Widerspruch liberaler Gouvernementalität einerseits und Prekarisierung als hegemonialer Funktion neoliberaler Gouvernementalität andererseits unterscheiden, um schließlich das Verhältnis zwischen beiden am Beispiel der ‚freien’ Entscheidung zum prekären Leben und Arbeiten zu verdeutlichen.

 
Biopolitische Gouvernementalität

Michel Foucault hat mit dem Begriff ‚Gouvernementalität' die strukturelle Verstrickung zwischen der Regierung eines Staates und den Techniken der Selbstregierung in westlichen Gesellschaften bezeichnet. Diese Verstrickung zwischen Staat und Bevölkerungssubjekten ist keine zeitlose Konstante. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts setzte sich durch, was sich seit dem 16. Jahrhundert anbahnte: eine neue Regierungstechnik, genauer die Kraftlinien moderner Regierungstechniken bis heute. Der traditionelle Souverän, für den Foucault prototypisch die Figur von Machiavellis Principe aus dem 16. Jahrhundert anführt, und die vertragsgebundene freiwillige Untertanengemeinschaft von Hobbes im 17. Jahrhundert waren noch nicht an der Führung ‚der Menschen’ zu deren Wohl interessiert, sondern in erster Linie an deren Beherrschung zum Wohle des Souveräns. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts, als Liberalismus und Bürgertum hegemonial wurden, trat die Bevölkerung in den Fokus der Macht und mit ihr ein Regieren, das am Leben und Besser-Leben ‚der Menschen’ orientiert war. Denn die Stärke des Staates hing nun nicht mehr allein von der Größe eines Territoriums ab oder von der merkantilistischen, autoritativen Reglementierung der Untertanen[4], sondern vom ‚Glück’ der Bevölkerung, von deren Leben und Immer-besser-Leben.

Regierungsmethoden wandelten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts immer weiter hin zu einer politischen Ökonomie des Liberalismus: einer Selbstbegrenzung von Regierungstechniken zugunsten eines freien Marktes einerseits und Bevölkerungssubjekten, die in ihrem Denken, in ihrem Verhalten auch an wirtschaftliche Paradigmen gebunden waren, andererseits. Diese Bevölkerungssubjekte waren nicht einfach durch Gehorsam unterworfen, sondern wurden regierbar, indem ihre Anzahl, „ihre Lebenserwartung, ihre Gesundheit, ihre Verhaltensweisen sich in vielschichtigen und verwickelten Beziehungen zu diesen Wirtschaftsprozessen befinden“ (Foucault 2004b, 42). Liberale Regierungsweisen stellten die Grundstruktur moderner Gouvernementalität dar, die immer biopolitisch war.[5] Oder anders: Der Liberalismus war ebenso der ökonomische und politische Rahmen von Biopolitik, wie diese „ein unerläßliches Element bei der Entwicklung des Kapitalismus“ (Foucault 1983, 168) war.

Die Stärke und der Reichtum eines Staates hingen zum Ende des 18. Jahrhunderts immer mehr von der Gesundheit seiner Bevölkerung ab. Eine daran orientierte Regierungspolitik bedeutet im bürgerlich liberalen Rahmen bis heute, Normalität fest- und herzustellen und dann zu sichern. Dazu wurde zunächst eine große Menge an Daten benötigt: Man stellte Statistiken auf, berechnete Wahrscheinlichkeiten von Geburten- und Sterblichkeitsraten, Krankheitshäufigkeiten, Wohnverhältnissen, Ernährungsweisen etc. Das genügte allerdings nicht. Um den Gesundheitsstandard einer Bevölkerung herzustellen und zu maximieren, benötigte diese produktive, das Leben fördernde biopolitische Regierungsweise ebenso die aktive Teilnahme jedes einzelnen Individuums, das heißt dessen Selbst-Regierung.

Foucault schreibt in Der Wille zum Wissen: „Der abendländische Mensch lernt allmählich, was es ist, eine lebende Spezies in einer lebenden Welt zu sein, einen Körper zu haben sowie Existenzbedingungen, Lebenserwartungen, eine individuelle und kollektive Gesundheit, die man modifizieren und einen Raum, in dem man sie optimal verteilen kann.“ (Foucault 1983, 170, Herv. I.L.) Foucault beschreibt hier zwei Dinge, auf die es mir ankommt: Der moderne Mensch muss lernen, einen Körper zu haben, der nicht unabhängig von bestimmten Existenzbedingungen ist. Und zweitens muss er lernen, zu sich selbst ein Verhältnis zu entwickeln, das kreativ und produktiv ist, eines, in dem der ‚eigene’ Körper, das ‚eigene’ Leben, das ‚eigene’ Selbst gestaltbar ist. Philipp Sarasin zeigt, wie im Kontext des abendländischen Hygienediskurses des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts „der Glaube, dass es der oder die Einzelne weitgehend selbst in der Hand habe, über Gesundheit, Krankheit oder gar den Zeitpunkt des Todes zu bestimmen“, entstanden ist (Sarasin 2001, 19; s.a. Bublitz u.a. 2000). Diese Vorstellung von Gestaltbarkeit entsteht nie unabhängig von gouvernementalen Dispositiven.

Im Kontext liberal gouvernementaler Selbst-Techniken bedeutet das Attribut ‚eigen’ stets einen „Besitzindividualismus“ (Macpherson 1973). Allerdings gelten solche, an der Imagination des Eigenen orientierten Selbstverhältnisse zunächst nur für die bürgerliche Klasse, zum Ende des 19. Jahrhunderts allmählich dann für die gesamte Bevölkerung. Nicht der Rechtsstatus eines Subjekts ist hier Thema, sondern strukturelle Bedingungen von Normalisierungsgesellschaften: Man muss in der Lage sein, sich selbst zu führen, sich als Subjekt einer Sexualität zu erkennen und zu lernen, einen Körper zu haben, der durch Achtsamkeit (durch Ernährung, Hygiene, Wohnen) gesund bleiben oder durch Unachtsamkeit krank werden kann. In diesem Sinne muss die gesamte Bevölkerung zu biopolitischen Subjekten werden (vgl. Lorey 2006a).

In Bezug auf die Lohnarbeitenden bedeuten solche imaginären Selbstverhältnisse[6], dass der eigene Körper zum Besitz des Selbst konstituiert wird, zu einem ‚eigenen’ Körper, den man als Arbeitskraft verkaufen muss. Auch in dieser Hinsicht ist das moderne ‚freie’ Individuum dazu gezwungen, sich durch machtvolle Selbstverhältnisse derart mitzuproduzieren, dass es seine Arbeitskraft gut verkaufen kann, um leben, immer besser leben zu können.

Die „Kunst des Regierens" - wie Foucault (2003) Gouvernementalität auch genannt hat - besteht in modernen Gesellschaften also nicht in erster Linie darin, repressiv zu sein, sondern in 'nach innen verlagerter' Selbstdisziplinierung und Selbstbeherrschung.[7] Analysiert wird eine Ordnung, die den Menschen, den Körpern, den Dingen nicht nur aufgezwungen wird, sondern von der sie gleichzeitig aktiver Teil sind. Nicht die Frage nach der Regulierung autonomer, freier Subjekte steht im Mittelpunkt der Problematisierung gouvernementaler Regierungstechniken, sondern die Regulierung der Verhältnisse, durch die sogenannte autonome und freie Subjekte überhaupt erst zu solchen werden.

Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schreibt John Locke, der laut Karl Marx "den bürgerlichen Verstand als menschlichen Normalzustand nachwies" (Marx 1963, 76), in seinen Zwei Abhandlungen über die Regierung, dass „[der Mensch] Herr seiner selbst ist und Eigentümer seiner eigenen Person und ihrer Handlungen oder Arbeit“ (Locke 1977, 227). Sowohl für den bürgerlichen Mann als Voraussetzung seiner formalen Freiheit als Staatsbürger, als auch für den Arbeiter, der mit der Freiheit der Lohnarbeit seine Arbeitskraft besitzt und diese verkaufen muss, erlangte das Eigentum zu Beginn der Moderne eine vermeintlich „anthropologische Bedeutung“ (Castel 2005, 24). Es schien die Voraussetzung, von der aus das Individuum unabhängig werden und sich aus dem traditionellen System von Unterordnung und Absicherung lösen konnte. Mit einer biopolitisch gouvernementalen Perspektive überschreitet die Bedeutung von Eigentum allerdings die begrenzten Ebenen von Staatsbürgerschaft, Kapital und Lohnarbeit und ist tatsächlich in aller Allgemeinheit zu verstehen. Denn körperliche Eigentumsverhältnisse gelten als gouvernementale Selbstregierung in einem biopolitischen Dispositiv für die gesamte Bevölkerung, nicht nur für den Bürger oder Arbeiter.[8] Der moderne Mensch konstituiert sich demnach über besitzindividualistische Selbstverhältnisse, die grundlegend für historisch spezifische Ideen von Autonomie und Freiheit sind. Moderne Selbstverhältnisse basieren daher strukturell, auch über eine ökonomische Anrufung hinaus, auf einem Verhältnis zum eigenen Körper als Produktionsmittel.

In diesem breit verstandenen Sinn von Ökonomie und Biopolitik reichen die Linien des Arbeitskraftunternehmers, der "Unternehmerin ihrer selbst" (Pühl 2003) als Subjektivierungsweise bis zu den Anfängen moderner liberaler Gesellschaften zurück und sind kein gänzlich neoliberales Phänomen.[9] Eine solche Genealogie überspringt freilich die Zeit des Sozialen, des Wohlfahrtsstaates seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, und verknüpft die im gegenwärtigen Um- und Abbau des Sozialstaates sich meist erzwungenermaßen konstituierenden UnternehmerInnen ihrer selbst mit grundlegenden liberal gouvernementalen Subjektivierungsweisen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Mit der Anrufung, eigenverantwortlich zu sein, scheint sich gegenwärtig etwas zu wiederholen, was bereits im 19. Jahrhundert nicht funktionierte, nämlich das Primat des Eigentums und die damit verbundene Konstruktion von Sicherheit. Eigentum wurde am Beginn bürgerlicher Herrschaft als Schutz gegen die Unwägbarkeiten der sozialen Existenz angeführt, als Sicherheit gegen die Verletzbarkeit durch die säkularisierte Gemeinschaft und die Herrschaft der Fürsten und Könige. Dies galt letztlich nur für wenige, und der Nationalstaat musste Ende des 19. Jahrhunderts für viele die soziale Absicherung garantieren. Daraus lässt sich allerdings nicht automatisch folgern, dass heute der Staat wieder eine umfassendere soziale Schutz- und Sicherheitsfunktion einnehmen müsste (so bspw. Castel 2005). Denn dies würde schnell den äußerst flexiblen, westlich nationalstaatlichen Nexus von Freiheit und Sicherheit mit strukturell ähnlichen Ein- und Ausschlüssen reproduzieren, statt ihn zu durchbrechen.

 
Normalisierte freie Subjekte

In biopolitisch gouvernementalen Gesellschaften ist die Konstituierung des Normalen immer auch mit dem Hegemonialen verwoben.[10] Mit der Aufforderung, sich am Normalen zu orientieren - was bürgerlich, heterosexuell, christlich, männlich weiß, weiblich weiß, national sein konnte -, musste im Zuge der Moderne die Perspektive entwickelt werden, den eigenen Körper, das eigene Leben zu kontrollieren, indem man sich selbst regulierte und so selbst führte. Das Normale ist damit nicht identisch mit der Norm, kann aber deren Funktion einnehmen. Normalität ist allerdings nie etwas Äußerliches, denn wir sind es selbst, die diese garantieren und mit Verschiebungen reproduzieren. Wir regieren uns demnach im Dispositiv von Gouvernementalität, Biopolitik und Kapitalismus selbst, indem wir uns normalisieren. Gelingt dies – und das ist meistens der Fall –, sind Macht- und manche Herrschaftsverhältnisse kaum wahrnehmbar und äußerst schwierig zu reflektieren, weil wir sie mit unseren Selbstverhältnissen, Denk- und Verhaltensweisen, mit unseren Körpern zugleich mit herstellen. Denn die Normalisierungsgesellschaft und die darin stattfindenden Subjektivierungen sind ein historischer Effekt einer auf das Leben gerichteten Machttechnologie. Das normalisierte Subjekt selbst ist wiederum ein historisches Konstrukt in einem Ensemble aus Wissensformen, Technologien und Institutionen. Dieses Ensemble ist sowohl auf die einzelnen Körper gerichtet als auch auf das Leben der Bevölkerung im Ganzen. Gelebt wird Normalisierung durch als selbstverständlich und natürlich wahrgenommene alltägliche Praktiken.

Darüber hinaus wird das Normale mit dem Effekt der Eigentlichkeit, der Authentizität naturalisiert. So glauben wir beispielsweise, der Effekt von Machtverhältnissen sei das Wesen unseres Selbst, unsere Wahrheit, unser eigener, eigentlicher Kern, der Ursprung unserer selbst. Diese normalisierende Selbst-Regierung basiert auf einer Imagination von Kohärenz, von Einheitlichkeit und Ganzheit, die auf die Konstruktion eines männlichen, weißen Subjekts zurückgeht.[11] Kohärenz ist wiederum eine der Voraussetzungen moderner Souveränität. Das Subjekt muss glauben, es sei „Herr im eigenen Haus“ (Freud). Scheitert diese fundamentale Imagination, findet meist nicht nur eine Fremdwahrnehmung als ‚anormal’ statt, sondern auch eine solche Selbsteinschätzung.

Bleiben wir bei dem für die biopolitisch gouvernementale Moderne so existenziellen, erlernten Selbstverhältnis, welches auf sehr unterschiedliche Weisen für die gesamte Bevölkerung gilt. Dieses Selbstverhältnis basiert auf der Vorstellung, eine innere Natur zu haben, ein inneres Wesen, das letztlich die eigene Individualität ausmacht. Derart imaginierte ‚innere, natürliche Wahrheiten’, solche Konstruktionen von Eigentlichkeit werden meist als unveränderbar verstanden, lediglich zu unterdrücken oder zu befreien. Sie nähren bis heute die Vorstellungen, sich selbst und ihr/sein Leben frei, autonom und nach eigenen Entscheidungen gestalten zu können oder zu müssen. Solche Machtverhältnisse sind auch deshalb nicht leicht wahrzunehmen, da sie häufig als eigene, freie Entscheidung, als persönliche Einsicht daherkommen und bis heute das Begehren danach produzieren, zu fragen  ‚Wer bin ich?’ oder ‚Wie kann ich mich selbst verwirklichen?’, ‚Wie kann ich zu mir selbst kommen, das Wesen meines Selbst zur größtmöglichen Entfaltung bringen?’. Der im Zuge neoliberaler Umstrukturierungen so häufig gebrauchte Begriff der Eigenverantwortlichkeit liegt, wie erwähnt, ebenfalls in dieser liberalen Kraftlinie von Besitzindividualismus und Eigentlichkeit und funktioniert nur darüber als neoliberal einsetzbare Anrufung zur Selbstregierung.

Im Grunde findet gouvernementale Selbstregierung in einem scheinbaren Paradox statt. Denn sich zu regieren, sich zu beherrschen, zu disziplinieren und zu regulieren bedeutet zugleich, sich zu gestalten, zu ermächtigen und in diesem Sinne frei zu sein. Nur durch dieses Paradox findet die Regierbarkeit souveräner Subjekte statt. Denn gerade weil Techniken des Sich-selbst-Regierens aus der Gleichzeitigkeit von Unterwerfung und Ermächtigung entstehen, aus der Gleichzeitigkeit von Zwang und Freiheit, werden die Individuen in dieser paradoxen Bewegung nicht nur zu einem Subjekt, sondern zu einem bestimmten modernen, ‚freien’ Subjekt. Solchermaßen subjektiviert, (re)produziert dieses Subjekt die Bedingung für Gouvernementalität immer wieder aufs Neue mit, da in diesem Szenario überhaupt erst Handlungsfähigkeit entsteht. „Macht“, so Foucault, „wird nur auf ‚freie Subjekte’ ausgeübt und nur sofern diese ‚frei’ sind“ (Foucault 1987, 255).

Im Kontext von Gouvernementalität sind Subjekte demnach sowohl unterworfen als auch gleichzeitig handlungsfähig und in einem bestimmten Sinne frei. Diese Freiheit ist gleichzeitig Bedingung und Effekt liberaler Machtverhältnisse, also von biopolitischer Gouvernementalität. Trotz aller bis heute geschehenen Veränderungen ist diese Kraftlinie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine derjenigen, durch die Individuen in modernen Gesellschaften regierbar werden.

Diese normalisierte Freiheit biopolitisch gouvernementaler Gesellschaften existiert niemals ohne Sicherheitsmechanismen und ebenso wenig ohne Konstruktionen des Anormalen, Devianten, welche wiederum subjektivierende Funktionen haben. Die Moderne scheint ohne eine „Kultur der Gefahr“ nicht denkbar zu sein, ohne die permanente Gefährdung des Normalen, ohne imaginäre Invasionen ständiger, alltäglicher Bedrohungen, wie Krankheit, Dreck, Sexualität oder die „Angst vor Entartung“ (Foucault 2004b, 101f.).[12] Auch mithilfe dieser Gefahrenkultur treibt das Wechselspiel zwischen Freiheit und Sicherheit, zwischen Selbstermächtigung und Zwang die Probleme der politischen Ökonomie der liberalen Macht an.

Prekarisiert waren vor diesem Hintergrund all diejenigen, die dieser Norm und Normalisierung eines freien, souverän bürgerlichen, weißen Subjekts mitsamt seinen Eigentumsverhältnissen nicht entsprachen. Auch im Kontext des Sozialstaats, der die Sicherung der modernen Unsicherheit gewährleisten sollte, waren nicht nur Frauen als Ehefrauen durch das am Mann orientierte Normalarbeitsverhältnis strukturell prekarisiert, sondern ebenso weiterhin all diejenigen, die aus dem nationalstaatlichen Kompromiss zwischen Kapital und Arbeit als Anormale und Fremde ausgeschlossen waren.[13] Prekarisierung war demnach bisher ein immanenter Widerspruch liberaler Gouvernementalität und störte als das Anormale immer wieder die stabilisierende Dynamik zwischen Freiheit und Sicherheit. In diesem Sinne war sie häufig Auslöser für Gegen-Verhalten.

Gegenwärtig verliert das an einem männlichen Familienernährer orientierte und weitgehend nur für die Mehrheitsgesellschaft zugängige Normalarbeitsverhältnis seine Hegemonie. Prekarisierung wird zunehmend Teil gouvernementaler Normalisierungstechniken und verwandelt sich demzufolge im Neoliberalismus vom immanenten Widerspruch zur hegemonialen Funktion.

 
Ökonomisierung des Lebens und ausbleibendes Gegen-Verhalten

Die in den vergangenen Jahren häufig angestimmte Rede von der „Ökonomisierung des Lebens“ liefert nicht nur wegen ihrer totalisierenden Rhetorik, sondern auch aufgrund der damit verbundenen Proklamation eines vermeintlich neuen Phänomens nur sehr eingeschränkte Erklärungen neoliberaler Transformationsprozesse. Mit „Ökonomisierung des Lebens“ sind meist die vereinfachten Thesen gemeint, nicht mehr nur die Arbeit, sondern auch das Leben falle wirtschaftlichen Verwertungsinteressen anheim, eine Trennung zwischen Arbeit und Leben sei nicht mehr möglich und im Zuge dessen fände zudem eine Implosion der Trennung zwischen Produktion und Reproduktion statt. Solche totalisierenden Implosionsthesen reden allerdings eher einem kollektiven Opferstatus das Wort und verstellen eine Perspektive auf Subjektivierungsweisen, auf Handlungsfähigkeit und letztlich auf Gegen-Verhalten.

Dabei macht die These von der „Ökonomisierung des Lebens“ aus einer biopolitisch gouvernementalen Perspektive durchaus Sinn. Sie verweist auf die Macht- und Herrschaftsverhältnisse einer bürgerlich liberalen Gesellschaft, die sich seit mehr als zweihundert Jahren um die Produktivität des Lebens herum konstituiert. Das Leben war in dieser Perspektive nie die andere Seite der Arbeit. Die Reproduktion war in der westlichen Moderne immer Teil des Politischen und des Ökonomischen. Nicht nur die Reproduktion, sondern das Leben generell war nie außerhalb von Machtverhältnissen. Vielmehr ist das Leben gerade in seiner Produktivität, das heißt Gestaltbarkeit immer deren Effekt. Und gerade diese Gestaltbarkeit ist konstituierend für das vermeintliche Paradox moderner Subjektivierungen zwischen Unterordnung und Ermächtigung, zwischen Regulierung und Freiheit. Liberale Prekarisierung fand als immanenter Widerspruch nicht jenseits dieser Subjektivierung statt, sondern ist ein daraus mögliches Bündel sozialer, ökonomischer und politischer Positionierungen.

In diesem Sinne ist die zurzeit viel beklagte „Ökonomisierung des Lebens“ kein gänzlich neoliberales Phänomen, sondern eine Kraftlinie biopolitischer Gesellschaften, die gegenwärtig vielleicht auf eine neue Weise intelligibel wird. Die damit verbundenen Subjektivierungen sind nicht derart neu, wie dies meist behauptet wird. Vielmehr sind deren biopolitisch gouvernementale Kontinuitäten noch kaum begriffen.

Denn waren Lebens- und Arbeitsverhältnisse, die im Kontext sozialer Bewegungen seit den 1960er Jahren entstanden sind, tatsächlich in keiner Weise gouvernemental?[14] Zwar wollten sich die durchaus dissidenten Praktiken alternativer Lebensweisen, die Wünsche nach anderen Körpern und Selbstverhältnissen (in feministischen, ökologischen, linksradikalen Kontexten) immer auch vom Normalarbeitsverhältnis und den damit verbundenen Zwängen, Disziplinierungen und Kontrollen abgrenzen. Stichworte hierzu sind: selbst entscheiden können, was und mit wem gearbeitet wird; bewusst prekäre Lebens- und Arbeitsformen wählen, weil dabei mehr Freiheit und Autonomie möglich schien, gerade wegen der eigenen Zeiteinteilung und ganz wichtig: der Selbstbestimmung. Auf eine gute Bezahlung kam es dabei oft nicht an, war die Entlohnung doch, Spaß an der Arbeit zu haben. Die vielen eigenen Fähigkeiten zur Geltung zu bringen, darum ging es. Generell war die bewusste, die freiwillige Aufnahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse sicherlich auch Ausdruck für ein Bedürfnis, die moderne, patriarchale Aufteilung in Reproduktion und Lohnarbeit anders zu leben als innerhalb des Normalarbeitsverhältnisses.

In den vergangenen Jahren sind jedoch genau diese alternativen Lebens- und Arbeitsverhältnisse immer stärker ökonomisch verwertbar geworden, weil sie die Flexibilisierung begünstigten, die der Arbeitsmarkt forderte. So waren Praktiken und Diskurse sozialer Bewegungen in den vergangenen dreißig, vierzig Jahren nicht nur dissident und gegen Normalisierung gerichtet, sondern zugleich auch Teil der Transformation hin zu einer neoliberalen Ausformung von Gouvernementalität.

Aber inwiefern werden ehemals als dissident verstandene prekäre Lebens- und Arbeitsweisen aktuell in ihrer hegemonialen, gouvernementalen Funktion offensichtlich? Und weshalb scheinen sie ihr Potenzial zu einem Gegen-Verhalten zu verlieren? Im Folgenden nur einige wenige Überlegungen, ohne Anspruch auf eine umfassende Analyse.

Viele der selbst-prekarisierten KulturproduzentInnen, um die es hier pauschalisierend geht, würden sich auf eine bewusste oder unbewusste Geschichte ehemals alternativer Existenzweisen beziehen, meinst ohne einen direkten politischen Bezug dazu zu haben. Sie sind mehr oder weniger irritiert über ihre Verschiebung hin in die gesellschaftliche Mitte, also dorthin, wo sich das Normale und Hegemoniale reproduziert. Das heißt allerdings nicht, dass ehemals alternative Lebens- und Arbeitstechniken gesellschaftlich hegemonial werden. Es verhält sich eher genau anders herum: Die massenhafte Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen wird mit der Verheißung, die eigene Kreativität zu verantworten, sich nach den eigenen Regeln selbst zu gestalten, für all diejenigen, die herausfallen aus dem Normalarbeitsverhältnis, als zu begehrende, vermeintlich normale Existenzweise erzwungen. Um diese gezwungenermaßen Prekarisierten geht es hier indes nicht, sondern um diejenigen, die von sich sagen, sie hätten prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse als KulturproduzentInnen freiwillig gewählt.[15]

Es ist erstaunlich, dass es hierzu noch keine systematischen empirischen Untersuchungen gibt.[16] Die gängigen Parameter von KulturproduzentInnen dürften jedoch darin bestehen, dass sie gut bis sehr gut ausgebildet sind, zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahren, kinderlos und mehr oder weniger gewollt prekär beschäftigt. Sie gehen befristeten Tätigkeiten nach, leben von Projekten und Honorarjobs, von mehreren gleichzeitig und einem nach dem anderen, meist ohne Kranken-, Urlaubs- und Arbeitslosengeld, ohne Kündigungsschutz, also ohne oder mit minimalen sozialen Absicherungen. Die 40-Stunden-Woche ist eine Illusion. Arbeitszeit und freie Zeit finden nicht entlang klar definierter Grenzen statt. Arbeit und Freizeit lassen sich nicht mehr trennen. In der nicht bezahlten Zeit findet eine Anhäufung von Wissen statt, welches wiederum nicht extra honoriert, aber selbstverständlich in die bezahlte Arbeit eingebracht und abgerufen wird, usw.

Dies ist keine „Ökonomisierung des Lebens“, die etwa von Außen kommt, übermächtig und totalisierend. Es geht hier vielmehr um Praktiken, die sowohl mit Begehren als auch mit Anpassung verbunden sind. Denn diese Existenzweisen werden immer wieder auch in vorauseilendem Gehorsam antizipiert und mitproduziert. Die nicht existierenden oder geringen Bezahlungen, im Kultur- oder Wissenschaftsbetrieb zum Beispiel, werden allzu häufig als unveränderbare Tatsache hingenommen, anderes wird gar nicht erst eingefordert. Die Notwendigkeit, anderen, weniger kreativen, prekären Beschäftigungen nachzugehen, um sich die eigene Kulturproduktion finanzieren zu können, wird hingenommen. Diese erzwungene und gleichzeitig selbst gewählte Finanzierung des eigenen kreativen Schaffens stützt und reproduziert genau die Verhältnisse immer wieder, unter denen man leidet und deren Teil man zugleich sein will.[17] Vielleicht sind die kreativ Arbeitenden, diese selbst gewählten prekarisierten KulturproduzentInnen deshalb so gut ausbeutbare Subjekte, weil sie ihre Lebens- und Arbeitsverhältnisse wegen des Glaubens an die eigenen Freiheiten und Autonomien, wegen der Selbstverwirklichungsphantasien scheinbar unendlich ertragen. Sie sind in einem neoliberalen Kontext dermaßen ausbeutbar, dass sie von staatlicher Seite sogar als Rolemodels angeführt werden.[18]

Mit dieser Selbst-Prekarisierung sind Erfahrungen von Angst und Kontrollverlust verbunden, Gefühle von Verunsicherung durch Verluste an Sicherheiten, sowie Angst vor und die Erfahrung von Scheitern, sozialem Abstieg und Armut. Auch deshalb sind ‚Loslassen’ oder Formen des Ausstiegs und Abfallens vom hegemonialen Paradigma schwierig. Man muss ‚on speed’ bleiben, sonst könnte man rausfallen. Klare Zeiten für Entspannung und Erholung gibt es nicht. Solche Reproduktion hat keinen klaren Ort, was wiederum eine unerfüllte Sehnsucht und ein fortwährendes Leiden an diesem Mangel zur Folge hat. Das Begehren nach Entspannung, danach, ‚zu sich selbst zu kommen’, wird unstillbar. Derart reproduktive Praktiken müssen meist neu erlernt werden. Sie entbehren jeder Selbstverständlichkeit und müssen gegen sich und andere hart erkämpft werden. Das macht diese Sehnsucht nach Reproduktion, nach Regeneration wiederum so überaus vermarktbar.

Nicht nur die Seite der Arbeit, die der Produktion, ist demnach prekär geworden, sondern auch die so genannte andere Seite, die oft als „Leben“ bezeichnet wird, die Seite der Reproduktion. Fallen Produktion und Reproduktion demnach zusammen? Bei diesen KulturproduzentInnen auf eine alte neue Weise, ja. Was sich an ihnen zeigen lässt, ist, dass in einer neoliberalen Form von Individualisierung Teile von Produktion und Reproduktion ‚in’ die Subjekte ‚hinein’ verlagert werden. In diese Richtung argumentieren auch Panagiotidis und Tsianos (2004/05, 19), wenn sie feststellen: „Die fortschreitende Überwindung der Trennung von Produktion und Reproduktion passiert weder zu Hause noch am Arbeitsplatz, sondern in der Verkörperlichung der Arbeitstätigkeit selbst: Reflexive Prekarisierung halt!“ Allerdings materialisiert sich in den Körpern, über die Arbeit hinaus, stets auch das gouvernementale Leben, da biopolitisch gouvernementale Machtverhältnisse beharrlich über die Produktion von hegemonialen, normalisierten Körpern und Selbstverhältnissen funktionieren.

Im gegenwärtigen Kontext von prekarisierter immaterieller, meist individualisierter Arbeit und ebensolchem ‚Leben’ verändert sich folglich die Funktion von Reproduktion. Sie wird nicht mehr nur auf andere, vornehmlich Frauen ausgelagert. Individuelle Reproduktion und Generativität, die Produktion des Lebens individualisiert und verlagert sich nun zum Teil in die Subjekte selbst hinein. Es geht um Regeneration jenseits von Arbeit, auch durch Arbeit, aber immer noch sehr häufig jenseits von angemessen bezahlter Lohnarbeit. Es geht um Regeneration, um Erneuerung, Aus-sich-selbst-Schöpfen, sich selbst aus eigener Kraft wieder herstellen: eigenverantwortlich. Die Selbstverwirklichung wird zur reproduktiven Aufgabe für das Selbst. Arbeit soll die Reproduktion des Selbst gewährleisten.

Wenn prekarisierte KulturproduzentInnen in ihrer ganzen Heterogenität in dieser Weise vereinheitlichend dargestellt werden, lässt sich über deren Subjektivierung im Neoliberalismus sagen, dass sie offensichtlich in einem Widerspruch stattfindet: in der Gleichzeitigkeit von Prekarisierung zum einen, das heißt immer auch Fragmentierung und Nicht-Linearität, und Kontinuität von Souveränität zum anderen. Die Kontinuität moderner Souveränität findet durch die Stilisierung von Selbstverwirklichung, Autonomie und Freiheit, durch Selbstgestaltung, Selbstverantwortung und die Wiederholung der Idee von Eigentlichkeit statt. Als Beispiel hierfür kann die noch immer weit verbreitete Idee des modernen männlichen Künstlersubjekts gelten, das seine Kreativität aus sich herausholt, weil sie angeblich in seinem Innern existiert, dort, wo die westliche Moderne auch den Sex positioniert und zur Natur, zum Wesen des Individuums erklärt hat. Generell scheint Souveränität bei den hier beschriebenen KulturproduzentInnen in erster Linie auf der ‚freien’ Entscheidung zur Prekarisierung, mithin zur Selbst-Prekarisierung, zu beruhen. Dies wiederum könnte ein zentraler Grund dafür sein, dass die strukturelle Prekarisierung als tendentiell gesamtgesellschaftliches, neoliberal gouvernementales Phänomen, dem kaum eine freie Entscheidung zugrunde liegt, derart schwer gesehen werden kann. KulturproduzentInnen geben deshalb eines von vielen Beispielen dafür ab, inwiefern ‚selbst gewählte’ Lebens- und Arbeitsweisen, mitsamt deren Vorstellungen von Autonomie und Freiheit, mit politischen und ökonomischen Umstrukturierungen kompatibel sind. Wie ließe sich sonst erklären, dass bei einer Untersuchung über Lebens- und Arbeitsverhältnisse kritischer KulturproduzentInnen auf die Frage nach dem ‚guten Leben’ von diesen keine Antworten zu bekommen waren?[19] Wenn Arbeit und Leben zunehmend voneinander durchdrungen sind, dann heißt das zwar, wie es eine Interviewte ausdrückt: „Die Arbeit sickert in dein Leben.“ Aber offensichtlich sickern nicht genügend Vorstellungen von ‚gutem Leben’ in die Arbeit, wodurch diese dann wiederum zu etwas transformiert werden könnte, was kollektiv ein ‚gutes Leben’ bedeutet. Das Gegen-Verhalten mit der Perspektive auf ein besseres Leben, das immer weniger eine gouvernementale Funktion hat, bleibt aus.

Offenbar kann mithilfe einer widersprüchlichen Subjektivierung zwischen Souveränität und Fragmentierung der Glaube an Prekarisierung als eine liberal gouvernementale Widerspruchsposition aufrechterhalten werden. Dabei werden allerdings fortwährend Macht- und Herrschaftsverhältnisse unsichtbar und Normalisierungsmechanismen als selbstverständliche und autonome Entscheidung des Subjekts naturalisiert. Dazu trägt die totalisierende Rede von der „Ökonomisierung des Lebens“ bei, da Hegemonieeffekte und damit Kämpfe und Widersprüche aus dem Blick geraten. Die eigenen Imaginationen von Autonomie und Freiheit werden nicht in der gouvernementalen Kraftlinie moderner Subjektivierung reflektiert, andere Freiheiten nicht mehr vorgestellt und so die Perspektive auf mögliches Gegenverhalten zur hegemonialen Funktion von Prekarisierung im Kontext neoliberaler Gouvernementalität verstellt.

Was ist der Preis dieser Normalisierung? Was bekommt im Neoliberalismus die Funktion des Anormalen, Devianten? Was ist nicht dermaßen ökonomisch und politisch verwertbar? Statt den Fokus augenblicklich auf das messianische Kommen von Widerständigkeit und neuen Subjektivitäten zu legen, wie es zum Beispiel Deleuze rhetorisch mit der Frage „Finden nicht die Veränderungen des Kapitalismus ein unerwartetes Gegenüber im allmählichen Auftauchen eines neuen Selbst als Brennpunkt des Widerstands?“ (Deleuze 1992, 163)[20] formuliert, glaube ich, dass davor noch weiter und genauer an den Genealogien der Prekarisierung als hegemonialer Funktion gearbeitet werden muss, an der Problematisierung der Kontinuitäten bürgerlicher gouvernementaler Subjektivierungsweisen im Kontext von sich auch als dissident verstehenden Vorstellungen von Autonomie und Freiheit.[21]

 

Literatur

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BOLTANSKI, Luc; Chiapello, Eve (2001): Die Rolle der Kritik in der Dynamik des Kapitalismus und der normative Wandel. In: Berliner Journal für Soziologie. 11. Jg., S. 459-477

BRÖCKLING, Ulrich; Krasmann, Susanne; Lemke, Thomas (Hg.) (2000): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt/M.

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DELEUZE, Gilles (1992): Foucault. Frankfurt/M.

DELEUZE, Gilles (1993): Postskriptum über die Kontrollgesellschaften. In: Gilles Deleuze: Unterhandlungen 1972-1990. Frankfurt/M., S. 254-262

DEMIROVIC, Alex (1997): Demokratie und Herrschaft. Aspekte kritischer Gesellschaftstheorie. Münster

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SARASIN, Philipp (2001): Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765-1914. Frankfurt/M.


[1] ‚KulturproduzentInnen’ wird hier als paradoxe Bezeichnung verstanden. Sie verweist auf eine Imagination der bezeichneten Subjekte, nämlich die des eigenen Produzierens und des Gestaltens des Eigenen. Gleichzeitig aber geht es darum, dass diese Subjektivierungsweisen Instrumente des Regierens, mithin funktionale Effekte biopolitisch gouvernementaler Gesellschaften der abendländischen Moderne sind. Deshalb hat ‚KulturproduzentInnen’ eine widersprüchliche, nicht kohärente Bedeutung. Bei 'KulturproduzentInnen' geht es nicht in erster Linie um KünstlerInnen. Ich beziehe mich dabei auch auf die Definition der Gruppe kpD/kleines postfordistisches Drama, der ich, zusammen mit Brigitta Kuster, Katja Reichard und Marion von Osten, angehöre. „Den Begriff ‚KulturproduzentInnen’ setzen wir sehr strategisch ein. Wir sprechen damit weder von einem bestimmten Sektor (Kulturindustrie), noch von einer erhebbaren sozialen Kategorie (beispielsweise Mitglieder der Künstlersozialkasse in Deutschland) oder von einem beruflichen Selbstverständnis. Wir sprechen vielmehr von der Praxis, Unterschiedliches zu durchqueren: Theorieproduktion, Gestaltung, politische und kulturelle Selbstorganisierung, Formen der Kollaboration, bezahlte und unbezahlte Jobs, informelle und formelle Ökonomien, temporäre Zusammenschlüsse, Projekt bezogenes Arbeiten und Leben.“ (Kleines postfordistisches Drama 2005b, 24)

[2] Unter Kraftlinien verstehe ich Formationen von Handlungen oder Praktiken, die sich über die Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg in Raum und Zeit homogenisiert und normalisiert haben und letztlich Hegemonieeffekte sind (vgl. hierzu auch Foucault 1983, 115f.; Deleuze 1992, 106).

[3] Mit diesem Begriff, im Französischen „contre-conduite“, bezeichnet Foucault Kämpfe gegen solche Regierungsweisen, die er ‚Gouvernementalität’ nennt. Vgl. Foucault 2004a, 292 f.

[4] Der Merkantilismus orientiert sich zwar bereits am Wachstum der Bevölkerung, aber eher hinsichtlich quantitativer Aspekte als auf die Lebensqualität ‚der Menschen’ hin orientiert.

[5] Zu einer der wenigen Stellen, an denen Foucault auf die Untrennbarkeit von moderner Gouvernementalität und Biopolitik hinweist: siehe Foucault 2004b, 43. Zu biopolitischer Gouvernementalität als gesellschaftstheoretisches Konzept siehe Lorey 2006a.

[6] Diese imaginären Selbstverhältnisse sind in Anlehnung an Louis Althussers Überlegungen nicht von den „wirklichen Lebensbedingungen“, hier den gouvernementalen Techniken zur Regierung der Bevölkerung zu trennen, die sich beispielsweise in der Konstituierung von Körpern materialisieren.

[7] Ich gehe davon aus, dass sich Selbstführung nicht erst im Neoliberalismus nach 'innen' verlagert und dann ein regulatorisches Prinzip einsetzt. Regulation und Kontrolle sind keine Techniken, die sich gegen die Disziplin erst im Neoliberalismus durchsetzen (anders Deleuze 1993; Hardt/Negri 2000). Gerade wenn mit Hygiene und Gesundheit den Reproduktionstechniken eine zentrale biopolitische Produktivität von (vergeschlechtlichten und rassifizierten) Körpern zugestanden wird, müssen diese Subjektivierungspraktiken mit dem Beginn der Moderne, spätestens zum Ende des 18. Jahrhunderts für das Bürgertum angesetzt werden.

[8] Diese biopolitische Subjektivierung ist wiederum durch Vergeschlechtlichung, Rassifizierung, Klassenzugehörigkeit, Religion und Heteronormativität ausdifferenziert, was ich hier nicht ausführen kann. Generell fokussiert der Text allein diese Kraftlinie bürgerlicher Subjektivierungen. Es geht nicht um eine umfassende Problematisierung von Subjektivierungsweisen.

[9] Foucault (2004b) spricht im Gegensatz dazu nur im Zusammenhang der Herausbildung neoliberaler Gouvernementalität in den USA vom Unternehmer seiner selbst; so auch die an ihn anschließende Forschung (u. a. Bröckling 2000; Pieper / Gutiérrez.Rodríguez 2003). Lemke u.a. (2000) argumentieren beispielsweise, dass erst als sich die liberale Regulierung der „natürlichen Freiheit“ in die einer „künstlichen Freiheit“ transformierte, ein „unternehmerisches Verhalten der ökonomisch-rationalen Individuen“ festzustellen sei (15). Was aber soll diese „natürliche Freiheit“ sein, wenn nicht Effekt gouvernementaler Regierungstechniken und sozialer Kämpfe? Und was ist im Verhältnis dazu die „künstliche Freiheit“?

[10] Foucault zieht in seiner Genealogie von Gouvernementalität keine explizite Verbindung zwischen dem Normalen und dem Hegemonialen. Um die Dynamik und die Bedeutung von Gouvernementalität zu verstehen, müssen Normalisierungsmechanismen allerdings explizit im Zusammenhang mit der Produktion hegemonialer Praktiken und Diskurse und den damit verbundenen Kämpfen betrachtet werden. Zur Verbindung zwischen Foucault und Gramsci siehe Hall 2004 und Demirovic 1997.

[11] Zur Verbindung von imaginärer Ganzheit und Weißsein, siehe Lorey 2006b.

[12] Biopolitische Gouvernementalität strukturiert moderne Gesellschaften in einer spezifisch paradoxen Weise. „Sie ermöglicht es“, wie Cornelia Ott treffend formuliert, „daß sich die Menschen als einzigartige ‚Subjekte’ verstehen lernen, und schließt sie zugleich als amorphe, vereinheitlichte ‚Bevölkerungsmasse’ zusammen. (...) Dabei ist die Kehrseite des ‚Rechts auf Leben’ stets die Ausgrenzung bzw. Vernichtung des Lebens.“ (1997, 110) Zum Zusammenhang zwischen biopolitischer Vergesellschaftung und Kolonialismus siehe Lorey 2006b.

[13] Zu einem solch breiten Verständnis von Prekarisierung siehe auch: kpD 2005a; 2005b und Mecheril 2003.

[14] Boltanski/Chiapello (2001) gehen im Unterschied dazu von einer Aneignung aus. Ihrer Untersuchung zufolge seien die Veränderungen des Kapitalismus seit den 1960er Jahren auf eine spezifische Integration und strategische Umformulierung einer ‚künstlerischen Kritik’ zurückzuführen, einer Kritik, die die Gleichförmigkeit einer Massengesellschaft, mangelnde individuelle Autonomie und den Verlust authentisch sozialer Beziehungen beklagte (vgl. auch Lemke 2004, 176ff.).

[15] Zur Selbst-Prekarisierung im Kontext von Migration, auch jenseits von 'kulturproduzierenden' Praktiken, siehe Kuster 2006 und Panagiotidis 2005.

[16] Erste Ansätze finden sich bei Böhmler/Scheiffele 2005; der Untersuchung von Anne und Marine Rambach (2001) zu prekären Intellektuellen in Frankreich; den Thesen von Angela McRobbie (2004) zur Funktionalität von KünstlerInnen für die New Economy; oder der Untersuchung von kpD (s. Anm. 1 und 18; kpD 2005 b).

[17] Der Performer Jochen Roller thematisiert in seinen Stücken genau diese Dynamik.

[18] Siehe zum Beispiel das Schröder/Blair-Papier von 1998, oder die Anrufung unter anderem an JournalistInnen, WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen im Rahmen der Hartz-IV-Reform in Deutschland als "Profis der Nation" zu fungieren (www.bundesregierung.de/artikel-,413.445340/Bundesregierung-richtet-Steuer.htm).

[19] Wir, die Gruppe kpD (kleines postfordistisches Drama, s. Anm. 1), haben im Rahmen des Filmprojekts „Kamera Läuft!“ (Zürich/Berlin 2004, 32’) Ende 2003 fünfzehn Berliner KulturproduzentInnen (inklusive uns selbst) interviewt, „mit denen wir für eine spezifische Form der politischen Praxis im kulturellen Feld zusammenarbeiten oder auf deren Praxis wir Bezug nehmen. (...) Unsere Fragen waren angelehnt an die von ‚Fronte della Gioventù Lavoratrice und Potere Operaio’ Anfang 1967 in Mirafiori durchgeführte Umfrageaktion ‚Fiat ist unsere Universität’, die unter anderem nach den Vorstellungen von ‚gutem Leben’ und nach Organisierung fragt. (...) Im Hinblick auf eine potentielle Politisierung von KulturproduzentInnen waren wir jedoch auch an kollektiven Verweigerungsstrategien interessiert und an den damit verbundenen Wünschen nach Verbesserung des eigenen Lebens, des Lebens von anderen, also letztlich nach Gesellschaftsveränderung. Das einzige, was sich jedoch auf einer allgemeineren Ebene in allen Interviews durchzog, war das Leiden an einem Mangel von Kontinuität. (...) Auch wir selbst fanden in unserem Vorstellungshorizont kaum alternative Lebenskonzepte, die den schon bestehenden Verhältnissen etwas Klares und Eindeutiges entgegenzusetzen hätten. “ (kpD 2005b, 24f.; s.a. kpD 2005a)

[20] Extremes Beispiel für einen aktuellen Messianismus ist natürlich das Ende des Buches Empire von Hardt/Negri (2000), aber auch, wenn auch anders und weit abgeschwächter, Foucault (1987) mit seiner Forderung nach neuen Subjektivitäten.

[21] Brigitta Kuster, Katharina Pühl und Gerald Raunig sei Dank für kritische Diskussionen.