"Das Entscheidende ist wohl, dass wir im Begriff sind, die Beziehung zwischen Theorie und Praxis neu zu fassen und zu erleben. Bis jetzt hat man entweder die Praxis als eine Applikation der Theorie, als bloße Konsequenz verstanden; oder man hat gemeint, die Praxis müsse die Theorie inspirieren, sie könne neue Theorien schaffen. In dieser oder jener Richtung hat man ihre Beziehungen als Totalisierungsprozess aufgefasst..." (Gilles Deleuze) Die auch im kulturellen Feld gängigste Projektion auf die Theorie ist, dass die theoretische Arbeit, sei sie philosophisch, soziologisch, kulturwissenschaftlich, kunsthistorisch oder auch als Kunstkritik definiert, der Praxis notwendigerweise immer hinterherhinken müsse. Theorie wird in solchen Vorstellungen zur nützlichen Idiotin, gerade gut genug als geduldeter Player in den gewohnten Auf- und Abwertungsspielen des Kulturbetriebs. Zu diesem Setting gehören die klischeehaft dichotomen Bilder vom gefühlsgeleiteten Künstler und vom vernunftgeleiteten Theoretiker, von der produktiven Kunst und der reproduzierenden Wissenschaft, von Aktion/Produktion im einen und Repräsentation im anderen Fall. Auf der anderen Seite werden vor allem künstlerische Arbeiten des öfteren als vermeintlich leicht verdauliche Vermittlungsformen oder als Fundus für beliebig interpretierbare, anschauliche Beispiele instrumentalisiert, als Mittel, allzu spezialisierte und damit nicht vermittelbare Wissensformen doch irgendwie "an den Mann", "ins Volk" zu bringen. Solche Bilder von einfacher oder "ganzheitlicher" Rezipierbarkeit oder vom vermittelnden Charakter der Kunst führen bis zur Benutzung von Kunst für die Popularisierung von politisch nicht durchsetzbaren Themen. Gegen derartig starre, verzweckende und hierarchisierende Vorstellungen ist das Konzept des eipcp eines der Aussetzung von schroffen Feld-Abgrenzungen, des Umgehens von Modellen des Nacheinander, der temporären Öffnung von Grenzräumen, in denen auch die differenten Positionen von künstlerischen Praxen, politischem Aktivismus und Theorieproduktion zum Oszilieren gebracht werden. Hier lässt sich feststellen, dass auch die Theorie eine Praxis ist, sich also mehrere Praxen oder Felder gegenüberstehen, mit mehr oder weniger durchlässigen Grenzen, ständigen Grenzverschiebungen und temporären Überlappungen. Und genau diese Überlappungen, die auch die Konzepte des Vorher und Nachher auszusetzen in der Lage sind, scheinen uns am relevantesten für eine produktive Weiterentwicklung des Verhältnisses der Praxen von Kunst- und Theorieproduktion. Das eipcp versucht, solche gegenseitigen Überlagerungen auch durch die angewandten Mittel und Methodiken zu forcieren. So wird durch die Beteiligung von TheoretikerInnen an Kunstproduktionen oder die Durchführung von intensiven Workshops mit KünstlerInnen und TheoretikerInnen an der Überlagerung von Rezeption und Aktion gearbeitet. Im besten Fall wird eine Verkettung von konstituierenden Aktivitäten hergestellt, ohne dass die jeweiligen Glieder oder Linien sich austauschen, die jeweiligen spezifischen Kompetenzen sich in ein diffuses Ganzes auflösen. Ziel ist im größeren Zusammenhang mit vielen anderen politischen und Kultur-Initiativen die Forcierung und Multiplizierung kritischer Öffentlichkeiten. Im kleinen zielen wir auf die Herstellung von temporären Zonen der Überlappung, an denen das ohnehin existierende Netz von Beziehungen und Korrespondenzen neu verknüpft wird, ohne deswegen eine wie immer geartete Synthese oder Identifikation zu riskieren. Die Beziehung der verschiedenen Linien bleibt dabei eine ständig prekäre: Das Problem besteht darin, gegenseitige Inanspruchnahmen und Instrumentalisierungen zu vermeiden, den Primat des einen über das andere zu verhindern, den Motor von gegenseitiger Reflexion und Überwachung nicht anzuwerfen. Analog zu den post-strukturalistischen Konzepten von Überlagerung und Überlappung geht es um die Erprobung von Subjektivierungsformen, die eine Entwicklung von "universellen" zu "spezifischen Intellektuellen" nahelegen. Nicht das Reden, Schreiben, Theoretisieren über Kunst, Politik, etc. prägt diese Subjektivierungsweisen, sondern die Einbringung von verschiedenen spezifischen Kompetenzen in transversale Kooperationen. Im KorrespondentInnen-Netz und in den Projektstrukturen des eipcp verdichtet sich eine spezifisch transversale Mobilisierung des Spezifischen, deren Perspektive es ist, gezielt Transsektorialität in Transnationalität zu übersetzen (und umgekehrt). Das Institut schreibt sich damit vor allem in einen Kontext ein, der sich zwischen nationalstaatlich geprägten Grenzen, supranationaler Re-Organisation (EU) und den Verwerfungen beider aufspannt. Dieser Kontext erfordert konkrete Bewegungsmodi und Ortsbezüge, eine forcierte Praxis der Übersetzung, schließlich auch die intensive Bearbeitung des Sprachendickichts im multilingualen Stil des eipcp. |