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05 2012
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Blockupy ist ein Hoffnungsschimmer in Zeiten der Austerität

John Holloway

John Holloway

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Birgit Mennel (translation)

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Jetzt mehr denn je, kann die Welt auf zwei verschiedene Weisen zugleich betrachtet werden. Welchen Weg sie nehmen wird, hängt maßgeblich von den Protesten ab, die für die nächsten Tage angekündigt sind: Blockupy Frankfurt, vom 16.–19. Mai und von all den Explosionen kreativen Ärgers, die darauf folgen werden.

Eine Seite schaut in Richtung einer dunklen, deprimierenden Welt. Eine Welt sich schließender Türen. Ein Verschließen von Leben, Möglichkeiten, Hoffnungen. Das sind die Zeiten der Austerität. Du musst gehorchen, wenn du überleben willst; du musst deine Träume aufgeben. Erwarte nicht, dass du leben kannst, wenn du machst, was du willst. Du musst froh sein, überhaupt einen Job zu finden. Vielleicht kannst du studieren, aber nur, wenn deine Eltern Geld haben. Und selbst dann, glaub nicht, du kannst etwas Kritisches studieren. Die Kritik ist aus den Universitäten geflohen. Was bringt Kritik, wenn wir wissen, dass der Lauf der Welt feststeht? Es gibt keine Alternative; es gibt nur die Wirklichkeit, dass Geld regiert. Also vergiss deine Träume. Arbeite hart, egal welchen Scheißjob du auch finden magst; oder stell dich auf ein Leben ein, in dem du Mülltonnen durchwühlst, denn es wird keinen Wohlfahrtsstaat mehr geben, der dich beschützen kann. Sieh dir Griechenland an und nimm das als eine Warnung.

Diese Lektion der Verzweiflung hat Dimitris Christoulas gelernt, der sich am 4. April 2012 auf dem Syntagma-Platz in Athen erschossen hat. Ein 77 Jahre alter Ex-Apotheker, dessen Pension mit den durch die Regierungen Europas auferlegten Austeritätsmaßnahmen gestrichen wurde; er sagte: „Ich sehe keine andere Lösung, als meinem Leben ein Ende zu setzen, bevor ich beginne, Mülltonnen nach Essen zu durchwühlen.“

Das ist es, was Austerität bedeutet. Das ist es, was die Regierungen Europas und der Welt den Leuten aufzwingen wollen – alle Regierungen sind Handlanger des Geldes – egal ob sie aus einer offensichtlichen Machtposition sprechen, wie etwa die deutsche Regierung; oder ob sie einfache Funktionäre des internationalen Bankensystems sind, wie Lucas Papademos oder Mario Monti. Die Austeritätsmaßnahmen zwingen Armut auf; sie stutzen die Flügel der Hoffnung.

Das ist die Richtung, die die Welt genommen hat. Aber ist das alles? Der Tod von Christoulas zeigt in zwei Richtungen: Verzweiflung, aber auch die Weigerung, die Verzweiflung zu akzeptieren. In seinem Abschiedsbrief schreibt er: „Ich glaube, dass die jungen Menschen ohne Zukunft eines Tages die Waffen ergreifen werden und die Verräter dieses Landes kopfüber auf dem Syntagma-Platz aufhängen werden, so wie die Italiener 1945 Mussolini erhängt haben.“ Ein Hoffnungsschimmer in den Untiefen der Verzweiflung.

Die Grundlage für diese Hoffnung ist ein einfaches Nein. Nein, wir werden eure Austerität nicht akzeptieren; nein, wir werden die obszönen Ungleichheiten in dieser Welt, in der wir leben, nicht akzeptieren;  nein, wir werden keine alternativen Politiken vorschlagen. Wir wollen eure Probleme nicht lösen, da die Zukunft des Kapitalismus den Tod der Menschheit bedeutet. Selbst wenn das Kapital diese Krise löst, dann ist die nächste Krise nicht weit und sie wird noch zerstörerischer sein. Wir werden euch, den Bankern-Politikern, nicht gehorchen, denn ihr seid die tote Vergangenheit und wir sind die mögliche Zukunft.

Das ist unsere Hoffnung: Wir sind die einzig mögliche Zukunft. Aber unsere mögliche Zukunft ist nur eine Möglichkeit. Ihre Realisierung hängt davon ab, ob wir in der Lage sind, die Welt zu retten. Wie retten wir die Welt. Christoulas spricht von jungen Menschen, die die Waffen ergreifen und die Politiker an den Masten von Straßenlampen aufhängen. Die Politiker der Welt wissen, dass dies nicht nur eine Phantasie ist: Darum fürchten sie sich in Griechenland auch davor, auf die Straße zu gehen; darum gibt man der Polizei überall auf der Welt mehr Waffen und Macht. Doch es sind Waffen, mit denen wir die Welt retten und etwas Neues schaffen können. Gewehre sind ihre Waffen nicht unsere. Unsere Wut ist die Wut der Verweigerung, des erstickten Schaffens, der Empörung.

Aber unsere Verweigerung ist wenig bedeutsam, wenn sie nicht von einem alternativen Schaffen begleitet wird. Verweigere und schaffe. Unser „Nein“ zur alten Welt, wird nicht halten, wenn wir nicht hier und jetzt eine neue Welt schaffen. Die repräsentative Demokratie ist gescheitert und wir stellen in unseren Plätzen, unseren Treffen und unseren Protesten eine wirkliche Demokratie her. Das Kapital scheitert darin, uns mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen; wir bilden Netzwerke gegenseitiger Unterstützung. Geld zerstört und wir sagen: „Nein, wir schaffen eine andere Logik und eine andere Weise des Aufeinandertreffens“; und so verkünden wir: „Kein Haus ohne Elektrizität“ und organisieren den Neuanschluss an die Stromversorgung immer dann, wenn dieser gekappt wird. Schuldeneintreiber können versuchen, uns unsere Häuser zu nehmen und wir organisieren Massenproteste, um sie daran zu hindern. Leute hungern und wir schaffen Gemeinschaftsgärten. Die Jagd nach Profit massakriert menschliches und nicht-menschliches Leben und wir schaffen neue Verbindungen, neue Wege, etwas zu machen.

All das ist inadäquat; es ist experimentell, aber das ist der Weg, den es einzuschlagen gilt; das ist die neue Welt einer gegenseitigen Anerkennung, die um ihre Geburt ringt. Vielleicht können wir noch nicht die ganze Welt verändern, aber wir können etwas schaffen und wir schaffen es hier und jetzt; wir produzieren Risse im System und diese Risse werden größer werden, sich ausweiten, vervielfältigen und zusammenfließen. Wir können und wir werden es stoppen. Wir werden die Welt retten.