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12 2023

Auf dass die Ewigkeit uns umarme

Toni Negri

Übersetzung: Gerald Raunig

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Welt um mich herum mir völlig fremd ist. Ein seltsames Gefühl für jemanden, der drei Bände mit einer Geschichte des intensiven Eintauchens in das, was existiert, gefüllt hat.[1] Wahrscheinlich, so sage ich mir, liegt es daran, dass ich alt bin – egal wie sehr ich mich bemühe, die Kommunikation mit jüngeren, wacheren Freunden aufrechtzuerhalten, meine Wahrnehmung ist stumpf. Aber dann frage ich mich: Könnte es sein, dass meine Sicht der Welt und mein Gefühl der Fremdheit einfach nicht wahr sind? Wahr? Ich meine, dass diese Wahrnehmung der Fremdheit nicht von mir abhängt, von meiner unzureichenden oder reduzierten Aufmerksamkeit, sondern dass die Welt um mich herum wirklich hässlich und inkonsistent ist. Könnte es sein, dass meinem Vertrauen in das Sein, meiner Bewunderung für das Lebendige, nichts mehr entspricht, das geliebt werden kann?

Hässlich, schön, lebendig, geliebt ... das sind Adjektive, die schwer definierbar und von höchster Relativität sind. Vielleicht sollte ich, um meinen Zweifel zu bestätigen, nicht auf diese Begriffe zurückgreifen. Vielleicht ist das einzig zutreffende Adjektiv unter den vielen, die ich von Anfang an verwende: «fremd». Ein Effekt der Entfremdung ist das, was Sprachen und Stimmungen, egal ob individuell oder kollektiv, die in der Gesellschaft, außerhalb von mir, mitschwingen, in mir auslösen. Ich meine, ich wäre taub und hörte verworrene Klänge. Ich bin tatsächlich ein bisschen taub, aber die verworrenen Klänge höre ich nicht mit dem Ohr, sondern mit der Seele, mit dem Gehirn. Mir entflieht die Welt um mich herum. Ich habe ein langes Leben gelebt, ich habe enorme Widersprüche und tödliche Konflikte erlebt, doch ich wusste immer, worum es sich handelte, die Elemente des Widerspruchs und des Konflikts, wie bedeutsam auch immer, bewegten sich innerhalb eines bekannten Rahmens – warum also verdunkelt sich heute die Bedeutung der Ereignisse um mich herum, warum zerrinnt sie mir zwischen den Fingern? Worin besteht ihre Bedeutungslosigkeit? Es gibt eine neue Welt, die diese Fremdheit verkörpert. Eine neue, aber müde Welt, die von den physischen, politischen und spirituellen Schwierigkeiten ihrer eigenen Reproduktion erschöpft ist. Ökonomische Schwierigkeiten und der Niedergang politischer, kollektiver Wertbezüge. Die Kommunikation ist frenetisch geworden, aber die Signifikanten verblassen in der Geschwindigkeit. Die Geister sind verwirrt. Die Sprachen sind korrumpiert. Die alten Bezüge des Kampfes sind verschwunden: rechts und links, Gewerkschaften und Parteien, Sinn und Bedeutung der Geschichte ... Das ist die Welt um mich herum. Das hängt nicht von meinem Alter oder meiner Müdigkeit ab: Es ist so.

Je mehr ich über diese Phänomenologie der Gegenwart nachdenke, je mehr ich meinen Blick schärfe, desto mehr scheint mir die wirklich einzige bewertende und beschreibende Figur, die die Welt der Bezeichnungen anruft und mir erlaubt, sie zu beschreiben, die des Nihilismus zu sein. Die Zeichen ergeben keinen Sinn, den Gesichtern fehlt das Lächeln, die Reden sind leer. Wir wissen nicht, worüber wir reden sollen. Wenn ich in das hochmütige Gesicht einer Gesprächspartner_in blicke, sehe ich eine Fratze – es ist immer dieselbe Fratze, die ich bei den meisten meiner Gesprächspartner_in finde. Ein großes Fest ist es, jemand ohne diese Pathologie zu finden. Die Leute sind verzweifelt. Wenn ich an diejenigen zurückdenke, die zu meiner Zeit nihilistische Vorstellungen für ihre Philosophie entwickelten und ihre Texte in der Krise oft mit Pessimismus und in Erwartung der Katastrophe beendeten (und meine Leser_innen wissen, wie ununterbrochen und erbittert ich sie bekämpft habe) – wenn ich dennoch an sie zurückdenke, bin ich jetzt fast gerührt von ihrer Krankheit, die sie bewusst erlitten. Nun habe ich dagegen Figuren vor mir, deren Ethik nicht als Ergebnis einer kritischen Arbeit nihilistisch und katastrophal ist, sondern weil ihre Existenz ohne Konsistenz ist, auch wenn sie, wenn man mit ihnen verkehrt, ein beliebiges Leben zu führen scheinen. Sie sind ohne Leidenschaften, sie sind ohne Signifikanten, sie sind ohne Glauben – obwohl sie glauben, dass die Sprache gereinigt werden muss, gewaschen und immer wieder gewaschen und zu einer Sinn-Reinheit gebracht werden muss – zur Reinheit des Abflusses, in dem sie geputzt haben. Sie schütten den Signifikanten wirklich mit dem Bade aus. Ihnen bleibt jenes Ideal der Reinheit – das Reine* der Vernunft, des Sinns, des Begriffs –, das zum Adjektiv der Leere, des bloßen Rests nach der Entleerung des Seins geworden ist. Wenn ich mich umschaue, fühle ich mich von diesen Zombies umgeben, von Millionen von Zombies.

Ist diese Welt wirklich neu? Sicher, sie hat sich gerade erst etabliert, sie ist in Wachstum begriffen, bald wird dieses «Neue» alles einnehmen. Aber sie ist nicht neu. Ich bin 85 Jahre alt. Bis ich 25, 30 Jahre alt war, gab es diese «neue» Welt schon, in festen und wirksamen Formen, die Welt der Zwischen- und der Nachkriegszeit. Sie war es, die mich unterdrückt hat und gegen die ich angekämpft habe. Wir hatten sie eingemottet und zum Teil zerstört, jetzt taucht sie wieder auf, diese ganz alte Welt, hegemonial. Es ist die faschistische Welt meiner Kindheit und Jugend. Es war die Welt, in der «Patriarchat – kapitalistische Ausbeutung – Souveränität der Nation» herrisch das Leben und den Verstand der Menschen niederwarfen. Und sie verrieten die Großzügigkeit und Intelligenz der jungen Menschen, um sie in trügerische Abenteuer zu führen: Patriotismus, Nationalität, «Rasse», Identität, Männlichkeit wurden als übergeordnete Werte angenommen. Faschistisch wird diese Welt bezeichnet – nicht nur konservativ, sondern reaktionär, nicht nur religiös, sondern fanatisch in der Zerstörung jeglicher Freiheit. Eine Welt, in der die Lebensmüdigkeit über alle anderen Leidenschaften dominierte und eine harte Disziplin die Seelen in die Empfindungslosigkeit gegenüber dem Schmerz zwang. Unterdrückung führte zum Fehlen von Bedeutung. Ist die heutige Welt wieder so geworden?

Aber wenn ja, wie werden die Kinder von heute mich lesen können, wie werden sie mich verstehen können? Mein Buch wird ihnen in ferne, schwer zugängliche Tiefen zu sinken scheinen. Es wird für sie ein archäologisches Dokument sein. Und mein Verlag, wird er diesen Text allenfalls nur veröffentlichen, weil er archivwürdig ist? Gibt es noch eine ausreichende Zahl von Alten, die diese Geschichte zu schätzen wissen und dem Verlag für die Veröffentlichung danken werden?

Als vor nicht allzu langer Zeit ein schrecklicher Faschist die Präsidentschaft eines großen Landes, Brasilien, übernahm, fragten einige junge Freund_innen: «Was sollen wir tun? Wie können wir Widerstand leisten?», und ich antwortete: «Habt keine Angst». Das ist die Voraussetzung für den Aufbau eines großen und wirksamen Widerstands. Der Faschismus stützt sich auf die Angst, er erzeugt Angst, er schafft und erhält ein Volk in Angst. Habt keine Angst: Das ist es, was wir den Leuten sagen können müssen, unter Leuten, in der Multitude, die heute unter der Rückkehr der faschistischen Barbarei leidet, sogar hier, unter unserer Sonne. Keine Angst zu haben, die Gefangenschaft der leeren Sprache zu durchbrechen, die uns aufgezwungen wird, und über die Autorität zu lachen, wo immer sie sich als groteske, faschistische Maske präsentiert. Keine Angst zu haben bedeutet, die Leidenschaften zu befreien und so die sprachlichen Formen zu füllen, die der faschistische Prozess der Unterwerfung leer gelassen hat. Es scheint, dass sich das Jahrhundert verfinstert hat: Die Angst zu vertreiben, Widerstand zu leisten, bedeutet vor allem, die Schatten zu vertreiben, die Bedeutung der Worte wiederzugewinnen. Sie mit Dingen zu füllen, mit Realität, mit Freiheit. Sie zu subjektivieren. Aber die wichtigste Operation besteht darin, zu erkennen, dass der Faschismus immer das eine ist: Er ist immer Wiederholung der Gewalt, die die Hoffnung blockiert, er ist das Alte – die absoluten Abwertungen des Patriarchats, der Gewalt der Ausbeutung und der Souveränität  –, das trügerisch sich als Neues anbietet, um es als eine Notwendigkeit des Geists und eine Verpflichtung der Moral durchzusetzen, während es Grund einer Kultur des Todes ist. «Es lebe der Tod», ist die Losung des Faschismus.

«Es lebe das Leben» ist die Antwort derer, die keine Angst haben. Der Frühling wird wiederkommen – er kommt immer wieder! Der Faschismus scheint ewig zu sein, und in der Tat scheint er (obwohl kurz) eine zu lange Strafe zu sein – aber er ist zerbrechlich, der Faschismus. Wie wenig kann er sich halten, wenn er mit der Leidenschaft, frei zu leben, kollidiert. Die Freiheit stellt sich notwendigerweise gegen den Faschismus, denn mit der Freiheit werden auch andere starke politische Leidenschaften, für die Gleichheit und für die Brüderlichkeit, aufstehen. Der Frühling wird zurückkehren, und er wird eine wahre Jahreszeit des Neuen sein. Denn während der Faschismus immer derselbe ist, ist der Frühling der Freiheit immer neu, immer anders, immer voller Geschenke.

Schaut zurück in die Vergangenheit, schaut noch einmal auf die großen Zeiten des Kampfes. Wir könnten weit zurückgehen, doch zwei Beispiele mögen genügen. 1848 und 1968 sind Jahreszahlen, die für meine Generation von grundlegender Bedeutung waren. Die erste bezeichnet die Entstehung des Sozialismus in Europa, innerhalb und gegen die Entwicklung der Widersprüche, die sich aus der Französischen Revolution und der Reifung der kapitalistischen Akkumulation ergaben. Aus dieser Begegnung entstand der Antagonismus zwischen Freiheit und Gleichheit, und der zwischen der Gleichheit als Brüderlichkeit der Völker und der Freiheit als Nationalismus und Souveränismus. Die Reaktionäre immer auf der einen Seite, unbeweglich, in der Verteidigung ihrer Privilegien verhaftet; die Revolutionäre, die zum ersten Mal die rote Fahne der Brüderlichkeit zwischen den Völkern hissten. Auf 1848 folgte ein Jahrhundert heftiger Kämpfe. Der Sozialismus etablierte sich, wurde dann besiegt, hinterließ aber dennoch ein gewaltiges Erbe an öffentlichen Gütern, besser gesagt, an «Gemeinsamem» für neue Generationen. Auf diesem Boden der Innovation und der Macht öffnete sich 1968. Der «Kommunismus» war sein Horizont. Es ging darum, das Öffentliche zum Gemeinsamen zu machen, aus dem im demokratischen Spiel gewonnenen Öffentlichen mehr Gemeinsames zu machen. Die Früchte des Sozialismus sollten vervielfältigt werden.

In diesem Kampf waren wir und werden wir sein, in unserem Kampf und in dem unserer Kinder. Es war eine neue Welle des demokratischen Willens, die die Welt einmal mehr auf den Kopf stellte. Und es wiederholt sich: alle zehn Jahre, mehr oder weniger, haben wir große, weit verbreitete und sich verbreitende Episoden der Revolte. Die Kondriatev-Zyklen sind vorbei. Die Zyklen der Subjektivierung des Gemeinsamen haben die Oberhand gewonnen. Jedes Mal passt sich der Widerstand an, um die durch die Unterdrückung eingerichteten Hindernisse zu überwinden, die zur «Wissenschaft der Regierung» geworden ist. Die gesamte Gouvernementalität ist eine kapitalistische, souveräne Operation zur Blockierung und Einbindung der produktiven Bewegungen der lebendigen Arbeit. Die Antwort darauf ist ein erneuter Angriff von Seiten der Bewegungen von Bürger_innen-Arbeiter_innen und eine Fähigkeit, die erzielten Gewinne zu nutzen.

Schauen wir uns dieses Spiel, das seit 1968 gespielt wird, genau an. Arbeiter_innenwiderstand, um die Befriedigung alter und neuer Bedürfnisse zu erreichen, dann Repression. Aber gelingt es der Repression, ihr Ziel zu erreichen, die subversive Aktion zu unterbinden? Wir waren oft gezwungen, diese Frage positiv zu beantworten. Aber selbst wenn die subversive Bewegung blockiert wird, müssen wir prüfen, ob der Kampf wirklich ein negatives (oder relativ negatives) Ergebnis hatte. Nun, so ist es eben nicht. Die Reformen, die die Kämpfe, auch die verlorenen, akkumulieren, sind wichtig, sie sind eine Vermehrung des «Gemeinsamen» in den Händen der Multituden des Proletariats. Hütet euch vor den alten Stimmen, die aus der Vergangenheit erklingen: Bedeutet die Positivität dieses Prozesses, dass man in der Führung der Bewegung «reformistisch» sein muss? Ganz und gar nicht. Die Reformist_innen akkumulieren nichts Gemeinsames, sie akkumulieren nur Niederlagen und Zerstörungen des Gemeinsamen, sie kollaborieren mit der kapitalistischen Governance und sie besudeln und pervertieren die Kämpfe. Dagegen akkumulieren nur die Widerstandskämpfe, die subversiv werden, den gemeinsamen Reichtum und teilen ihn unter den Institutionen des Gemeinsamen auf. Umgeben von Institutionen des Gemeinsamen haben wir einen gewissen Fortschritt für unser Leben und das Leben unserer Kinder erreicht. Das kann ich in meinem hohen Alter gerne bezeugen.

Aber um dieses Dispositiv des «Gemeinsamen», seiner Erkämpfung und Akkumulation offen zu halten, lehrt uns die Geschichte der Kämpfe, dass wir uns organisieren müssen. Ich habe mein Leben mit dem Versuch der Lösung dieser Aufgabe verbracht. Ich glaube nicht, dass es mir gelungen ist, eine Organisationsform zu finden, die die Wirksamkeit der «Gewerkschaft» in der Zweiten Internationale oder des «Sowjet» in der Dritten Internationale hat. Wir haben das Terrain der Multitude als eine Reihe von Singularitäten bestimmt, die als Schwarm, als Netzwerk agieren, das wahrscheinlich in einer echten direkten Demokratie organisiert werden kann. Allerdings ist es uns nie gelungen, über die «in vitro»-Erfahrungen hinauszukommen. Aber das ist der Weg, und schon seine Begehung ermöglicht der Dialektik von Widerstand und Subversion, die feindliche Macht zu destabilisieren und ihr Produktionssystem zu destrukturieren, und damit die Erkämpfung des Gemeinsamen und den Aufbau von Institutionen des Gemeinsamen vorzubereiten. Der Weg ist noch lang und die Leerstellen der Organisation, die leeren Zeiten des subversiven Unternehmens, werden teuer bezahlt.

Wir treffen auf einen wiederauflebenden Faschismus. Wir wissen, dass der Kampf schwierig wird. Wir haben keine Angst. Wir stehen an vorderster Front. Wir glauben, dass unser Widerstand wirksam ist. Aber wir müssen uns auf die extremen Konsequenzen vorbereiten, auf die der Faschismus hinauslaufen kann: den Krieg. Diejenigen, die den Krieg erlebt haben, die ihn erlitten haben, wissen, dass der Krieg eine unwiderstehliche Zerstörungsmaschine ist, war und sein wird. Diesmal für die gesamte Menschheit, angesichts der Kriegsmittel, die die großen kapitalistischen Mächte einsetzen können. Krieg zwischen Mächten = Zerstörung der Wurzeln des Menschlichen. Der Faschismus kann diese Katastrophe des Menschen, dieses Massaker seiner Geschichte auf dem Planeten hervorbringen. Den Faschismus zu bekämpfen heißt also, für das Menschliche zu kämpfen. Ohne zu vergessen, dass der Faschismus in der Lage ist, es zu zerstören, wenn er die patriarchalen Regeln der Gesellschaft, die Befehlsstruktur der Ausbeutung und die Souveränität des Eigeninteresses in der politischen Form des Staats gefährdet sieht. Konzentrieren wir uns auf diesen Punkt und organisieren wir uns so, dass sich das Kapital in seiner Kreuzung mit dem Faschismus nicht für den Krieg entscheiden kann. Den Krieg zu vermeiden, das Kapital zu bekämpfen und zu besiegen, ohne durch den Krieg hindurchzugehen, ist unsere Aufgabe. Wie können wir das erreichen? Der Pazifismus wird unsere Waffe sein, denn der Frieden ist unser Wunsch.

Ich habe den Faschismus erlebt und erlitten. Mein Herz ist verletzt und mein Gehirn traumatisiert, wenn ich an diese Erfahrung zurückdenke. Dann habe ich, von 1968 bis heute, ohne Angst vor dem Faschismus gelebt. Die ihm zur Last gelegten Verbrechen, in erster Linie die Shoah, verwehrten, dass er jemals wieder begehrt wurde, die große Masse der Bevölkerungen schien ihn zu verweigern. Nur die Funktionäre der Souveränität waren in der Lage, diese verbrecherischen Handlungen in der Erinnerung zu begleiten (und in der Praxis zu dulden) – und sie manchmal zu erneuern. Die Repression des europäischen 68 war ein Beispiel dafür. Aber ich hatte nie Angst, ich habe nur Verachtung für diese Verbrecher entwickelt. Heute sieht die Sache anders aus: Eine Wolke aus Schwefelrauch umgibt uns, eine dickflüssige Hülle, die man mit dem Blick nicht durchdringen kann. Der Faschismus ist allgegenwärtig. Wir müssen rebellieren. Wir müssen Widerstand leisten. Mein Leben schwindet dahin, nach 80 wird das Kämpfen schwierig. Aber was von meiner Seele übrig ist, führt mich zu diesem Punkt.

Im Widerstand gegen den Faschismus, im Versuch, diese Herrschaft zu brechen, in der Gewissheit, es zu schaffen, ist dieses Buch geschrieben. Es bleibt mir nur noch, euch zu verlassen, meine Freunde. Mit einem Lächeln, mit Sanftmut widme ich diese Seiten, diese drei Bände, die ich damit abschließe, jenen virtuosen Menschen, die mir in der Kunst der Subversion und der Befreiung vorausgegangen sind, und jenen, die folgen werden. Wir haben gesagt, dass sie «ewig» sind – auf dass die Ewigkeit uns umarme.

 

[1] Der vorliegende Text ist die deutsche Version der letzten Seiten des dritten und letzten Bands der Autobiografie von Toni Negri, herausgegeben von Girolamo de Michele im Verlag Ponte alle Grazie. 1. Band: Storia di un comunista, 2015, 2. Band: Galera ed esilio, 2018, 3. Band: Da Genova a domani, 2020.