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01 2002

Public Art als Publizität

Miwon Kwon

Übersetzt von Patricia Holder

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publicum

Der Titel des Symposiums, für das dieser Text geschrieben wurde, "In the Place of the Public Sphere", kündigt eine doppelte Lesart an. Besonders der Gebrauch des Wortes "place", oder eher der Platz des Wortes "place" im Titel machen zwei unterschiedliche Vorstellungen von Öffentlichkeit geltend. In der einen Lesart ist Öffentlichkeit ein Ort, eine Art Arena oder Location, mit räumlichen Grenzen und einem Innen, das besetzt werden kann. Öffentlichkeit findet irgendwo statt, sie ist irgendwo. Eine zweite Lesart des Titels beruft sich auf eine mögliche Alternative zur, oder einen Ersatz für, Öffentlichkeit. "In the place of" ("an der Stelle von"; anstelle von, anstatt) legt nahe, dass wir uns eher als ein In(nen) ("am Ort der") auch ein Anstatt ("an Stelle von") der öffentlichen Sphäre vorstellen könnten. Das Modell von Öffentlichkeit, das letztere Formulierung implizit kritisiert (und gegen das man sich ein Anstatt vorstellen kann), ist das von Jürgen Habermas mittlerweile zum Klassiker gewordenen Werk zum Thema. Schematisch gesprochen verortet Habermas in "Strukturwandel der Öffentlichkeit" (1962)[1] die Entstehung einer öffentlichen Sphäre in den Clubs, Kaffeehäusern, Debattiergesellschaften, Museen, Zeitungen und anderen Institutionen im Europa des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, in denen die Mitglieder des im Aufstieg begriffenen Bürgertums zusammenkamen, um verschiedene Belange von "öffentlichem" Interesse zu diskutieren. Am Schnittpunkt des Aufstiegs der urbanen Massengesellschaften und des Niedergangs monarchistisch-absolutistischer Herrschaft ist Habermas' bürgerliche Öffentlichkeit als soziale und politische Form konzipiert, welche die teilhabenden Subjekte durch die Ausklammerung persönlicher Interessen in die Lage versetzt, sich in einer objektiven, interesselosen Debatte zu engagieren und damit kollektiv als eine Art Kontrollinstanz über die Herrschaft der Regierung oder des autoritären Staats fungieren zu können. Diese Öffentlichkeit ist ein Modell moderner demokratischer Prozesse; unterstellt wird, dass alle Subjekte gleich sind und gleichermaßen fähig, am kritischen Räsonnement teilzuhaben, ohne durch Eigeninteressen befangen zu sein.

Über das letzte Jahrzehnt hinaus ist Habermas' These zur bürgerlichen Öffentlichkeit oft der Kritik unterzogen worden - für die Autorisierung eines patriarchalen männlichen Subjekts als normativem Subjekt der Öffentlichkeit, für die Tendenz, eher idealisierte Abstraktionen als existierende politische Kulturen in den Vordergrund zu stellen; und für die mangelnde Anerkennung des Anteils, den Subkulturen und Gegenöffentlichkeiten (besonders die von Frauen) am Aufbau der bürgerlichen Öffentlichkeit hatten. Konträr zu Habermas' Modell entwerfen jüngere Theorien der Öffentlichkeit diese als einen Schauplatz unterschiedlicher Typen von Konkurrenz und Wettstreit, als eine Sphäre sozialer Fragmentierung, ungleichen und ausschließenden Zugangs und "konkurrierender Kommunikationspraxen", wie es Oskar Negt und Alexander Kluge beschreiben.

Für die zeitgenössische Kunst haben solche Verschiebungen im Öffentlichkeitsdiskurs eine ziemlich tief greifende Wirkung und Bedeutung. Um der Verräumlichung des Begriffs der öffentlichen Sphäre entgegenzuwirken, hat Frazer Ward, ein mit den Schriften von Negt und Kluge und ihrer Betonung der Formen von Kommunikation (Publicity) gegenüber den resultierenden Orten (öffentliche Sphäre) von Kommunikation vertrauter Kunsthistoriker, einen Wandel im Nachdenken über die Funktion von Kunst als einer Form von Publizität angeregt.[2] Diese Idee aufgreifend, wird dieser Aufsatz im Rückblick einige paradigmatische Arbeiten der Public Art der letzten fünfunddreißig Jahre in den USA als unterschiedliche Formen von Publizität, das heißt, als unterschiedliche Modelle kommunikativer Praxen oder Formen der öffentlichen Ansprache (eher denn als Kunstgenres) neu erwägen. Diese Überlegungen werden sich von der Einsicht Raymond Williams' leiten lassen, der 1961 in seinem Aufsatz "Communications and Community" vier Arten kommunikativer Praxen mit einer quasi-evolutionären Entwicklung umrissen hat - von der autoritären zur paternalistischen, und über die kommerzielle zur demokratischen.[3]

Williams zufolge kontrolliert in einem autoritären Kommunikationssystem eine herrschende Gruppe die Gesellschaft der Beherrschten, und alle Kommunikationsinstitutionen sind in ihrer Kontrolle. Ideen, die ihre Autorität gefährden, werden unterdrückt und ausgeschlossen. Weder Individuen noch Gruppen dürfen ihre eigenen Kommunikationssysteme schaffen. In einem solchen System gibt es nur eine Weltanschauung und ein dazugehöriges Set rigider Werte, die der Mehrheit von einigen wenigen aufgezwungen werden. Williams charakterisiert diese Art der Kommunikation als grundlegend "böse". Der paternalistische Kommunikationsmodus ist "autoritär mit einem Gewissen". Aus dem Anspruch heraus, den Beherrschten aus Wohltätigkeit Anleitung, Bildung und Verfeinerung angedeihen lassen zu wollen, behandelt die herrschende Gruppe die Mehrzahl ihrer Untertanen wie Kinder, die nicht wissen, was für sie am besten ist. Die an der Macht befindliche Minderheit wird von einem Gefühl der Verantwortung angetrieben, einer Verpflichtung, Gutes zu tun und der in gewissem Sinne als rückständig und bedürftig betrachteten Mehrheit einen "Dienst an der Allgemeinheit" zu leisten. Interessanterweise ist die zugrunde liegende Annahme, dass die Überlegenheit der herrschenden Gruppe eines Tages verschwinden wird, wenn die anderen erst "heranwachsen" und lernen, wie die "Erwachsenen" zu sein. Williams merkt an, dass dieser Modus exponierter und verletzlicher als das autoritäre Kommunikationssystem, aber nichtsdestotrotz in der Lokalisierung von Macht und Kontrolle problematisch ist. Ursprünglich als Antwort auf die ersten beiden Formen gedacht, stellt der kommerzielle Kommunikationsmodus die Herrschaft der wenigen über die vielen grundlegend infrage. Eine verlässliche Grundlage für den Kampf gegen die staatliche Kontrolle (die als monopolistisch gilt, ob sie nun autoritär oder paternalistisch ist) ist für den kommerziellen Modus der freie Markt - er bietet die notwendige Freiheit für alle, zu veröffentlichen und zu lesen, was sie wollen. Wie Williams schreibt, trotzt der kommerzielle Kommunikationsmodus zwar der staatlichen Kontrolle, gleichzeitig setzt er aber neue Kontrollen ein, die auf dem Kriterium der Profitabilität gründen. Im Ergebnis wird die Informationsgewalt immer noch konsolidiert und von einer kleinen Zahl von Individuen oder Gruppen geteilt, die die Mehrheit der Zeitungen, Magazine, Fernsehsender und Rundfunkanstalten kontrollieren (heutzutage sollten wir das Internet auch noch dazunehmen). Der dezentralisierte demokratische Kommunikationsmodus schließlich, ein für Williams noch nicht voll realisiertes Ideal, richtet sich sowohl gegen Kommerzialisierung als auch gegen staatliche Kontrolle. Es ist ein System, das die individuelle Partizipation maximiert und unabhängigen Gruppen mit Zugang zur Nutzung von Kommunikationsmitteln im öffentlichen Eigentum - Theatern, Rundfunkstationen, Filmstudios, Zeitungen usw. - zu bestimmen erlaubt, was produziert wird. Das heißt, die Ausdrucks- und Kommunikationsmodi und die Mittel ihrer Verbreitung gehören den Leuten, die sie nutzen. Und was produziert wird, entscheiden diejenigen, die es produzieren.

Mithilfe dieser vier Kategorien von Kommunikationssystemen oder Arten von Publizität lässt sich nachvollziehen, wie sich Public Art-Praxen in den USA in den letzen vier Jahrzehnten (nicht) entwickelt haben.[4] Wenn wir chronologisch vorgehen, können wir zuerst Alexander Calders La Grande Vitesse in Grand Rapids (Michigan) betrachten, die erste öffentliche Skulptur, die 1967 vom National Endowment for the Arts und dessen Programm für Kunst im öffentlichen Raum gesponsert wurde. La Grande Vitesse ist eine aus Stahl gefertigte und rot gestrichene biomorphe, modernistische Abstraktion, und zumindest in Nordamerika gilt die Arbeit vielen als eines der erfolgreichsten Public Art-Projekte des zwanzigsten Jahrhunderts. Zentral auf einer großen urbanen Plaza gelegen und von Bürogebäuden des International-Style umgeben, behauptet die Skulptur physisch und visuell ihre Autonomie und hat die Funktion, vom singulären "Genie" des Künstlers zu zeugen. Derlei "plop art"[5] ist in den 1970er Jahren auf vielen ähnlichen Plazas in größeren Städten der USA aufgetaucht und war als "Geschenk" der Regierung (auf lokaler, staatlicher oder Bundesebene) an die Öffentlichkeit gedacht. Mit ihren Gremien und Komitees ausgewählter Experten, die über das Schicksal von Public Art-Aufträgen entscheiden, mit der erklärten Absicht, die "besten" Leistungen in der Kunst einer allgemeinen Öffentlichkeit näher zu bringen, beruhen Programme wie das National Endowment for the Arts (NEA) auf dem, was Williams als das paternalistische Kommunikationsmodell beschrieben hat. Die zugrunde liegende Annahme ist hier, dass die Präsenz von großer Kunst in den Räumen des Alltagslebens der allgemeinen Öffentlichkeit (der bis dahin der Zugang zur Hochkultur verwehrt war) zugute kommen würde, und dass die Regierung ihrem Volk mit der Hilfe von Kunstexperten derlei erzieherische und erhebende Erfahrungen eröffnen kann.

Ähnliche Annahmen sind für das NEA und andere Vertreter der Public Art über die siebziger und achtziger Jahre hinaus bestimmend. Das Wiesner Gebäude auf dem Campus der MIT führte Scott Burton, Kenneth Noland und Richard Fleischner zu einer Kollaboration mit dem Architekten I. M. Pei zusammen, um Kunst in Form eines öffentlichen Raums zu schaffen. Indem sie den Funktionalismus gegenüber der Ästhetik in den Vordergrund stellen, integrieren solche Künstler-Architekten-Teams mit ihren Bemühungen die Kunst ins Umweltdesign; die Künstler übernehmen als Teil eines umfassenderen Architektur- oder Urban Design-Projekts die Gestaltung von Sitzgelegenheiten, Sonnenblenden, Beleuchtung usw. Obschon sie in ihrer Funktionsweise unabdingbar paternalistisch blieben - die Künstler und die Architekten, ebenso wie die fördernde Regierungsagentur, wissen am besten, was für die Öffentlichkeit gut ist -, kamen derlei Bemühungen aber auch unternehmerischen Interessen in die Immobilienentwicklung entgegen. Künstler wurden, in anderen Worten, dazu angeworben, die Wohnqualität und damit den Eigentumswert gewisser Gebäude und Zonen der Gentrifizierung zu steigern. In diesem Fall geht die paternalistische Grundlage der Public Art mit einer kommerziellen Form öffentlicher Artikulation einher.

Richard Serras Tilted Arc (1981-1989) auf der Federal Plaza in Downtown New York war als Antwort auf den Kunst als öffentlicher Raum-Ansatz von Public Art gedacht, also einer Kunst, die der Architektur Rechnung trägt oder sich ihr unterwirft. Indem sie das utilitaristisch-funktionalistische Mandat von Public Art mit einem aufdringlichen und "nutzlosen" Objekt negierte, zeigte die kontroverse Skulptur als Beispiel "kritischer" und "politischer" Ortsspezifik die Scheinheiligkeit der "öffentlichen" Plaza als geschlossenem und sozial vereinheitlichtem Raum auf.[6] Aber selbst wenn Tilted Arc die architektonische Bedingung der Federal Plaza als einer in sich selbst autoritären Kommunikationsform (in Williams Begrifflichkeiten) in Frage stellte, bewahrte sie dennoch eine paternalistische Haltung. Während der Anhörungen, die letztendlich zur Entfernung der Skulptur führten, brachten die "Kunstexperten", die den künstlerischen Verdienst und den politischen Wert künstlerischer Freiheit verteidigten (der Künstler eingeschlossen), Positionen zum Ausdruck, die ihr "überlegenes" und verfeinertes Wissen klar von den uninformierten und ungebildeten Eindrücken der allgemeinen Öffentlichkeit abhoben. Dies bedeutet, dass die paternalistische Form der Artikulation von Tilted Arc sich nicht allzu weit von Calders La Grande Vitesse entfernt hat, beides Beispiele einer "großen" künstlerischen Leistung, die von einigen wenigen als solche verstanden und dem sozialen Körper der Mehrheit präsentiert wird, dem es, so die Annahme, an Bildung und kultureller Verfeinerung mangelt (aber damit sich das ändert, wird ihnen eine solche Kunst ja vorgesetzt).

In den 1990er Jahren erlebten die Bemühungen um eine demokratischere Form von Public Art-Kunstpraxen eine Aufschwung (die Publikation von Suzanne Lacys Anthologie Mapping the Terrain: New Genre Public Art, Seattle 1995 ist ein Zeichen für diesen Trend[7]). Zu den zahlreichen Kunstwerken, die als Beleg angeführt werden können, gehört etwa John Ahearns Percent for Art-Projekt von 1992-93, welches mit der Installation dreier lebensgroßer gegossener Statuen junger Anwohner aus der South Bronx, wo sie aufgestellt werden sollten, verbunden war.[8] Die figurativen Skulpturen wurden als für die Öffentlichkeit zugänglicher erachtet als die Sprache modernistischer Abstraktion (Calder) oder der post-minimalistischen Kunst (Serra); nach Auskunft des Künstlers waren sie "heroische" Repräsentationen seiner Nachbarn. Da Ahearn selbst in der südlichen Bronx lebte, und da die Kunst in der direkten Interaktion, ja sogar in Zusammenarbeit mit den Bürgern geschaffen wurde, stellte man sich vor, dass der "Inhalt" dieser öffentlichen Skulpturen mit ihrem "Publikum" identisch sei. Anstelle einer Kunst, die als Geschenk einer paternalistischen herrschenden Gruppe an die Öffentlichkeit herangetragen wird, sollte Ahearns Arbeit als Kunst der Leute und auch bis zu einem gewissen Grad als Kunst von den Leuten, die sie repräsentiert, funktionieren. Während die Frage, wer wen repräsentieren kann, Anlass für eine Kontroverse gab, die zu einer schnellen Beseitigung der Skulpturen führte (die Künstler entschieden, sie entfernen zu lassen), bleiben die Debatten um die Charakteristika einer "demokratischen" Form der künstlerischen Ansprache aus Ahearns South Bronx Sculpture Park-Projekt eine beeindruckende Lektion.

"New Genre Public Art", so Suzanne Lacys Definition, bemüht sich um ein "demokratisches" Modell einer auf der Mitwirkung und der Mitarbeit von Teilen des Publikums an der Herstellung der künstlerischen Arbeit basierenden Kommunikation. In ihrem gleichzeitigen Streben nach sozialem Wandel bewahrt sie eine gewisse instrumentale Haltung gegenüber der Kunst als Mittel, grundsatzpolitische Veränderungen zu erleichtern oder soziale Ungerechtigkeiten zu korrigieren. Während solche Bemühungen herkömmliche Machtdynamiken und Hierarchien anfechten, welche die zeitgenössische Kunstwelt stützen, ist der von New Genre Public Art beschworene demokratische Kommunikationsmodus in der Mehrzahl der Fälle für eine vereinheitlichte Öffentlichkeit gedacht. Zugleich wird in der "Zusammenarbeit" den Mitgliedern des Publikums gegenüber eine gewisse paternalistische Einstellung gewahrt.[9]

Als Versuch, einem demokratischen Kommunikationsmodus in der Kunst Gestalt zu geben, ist das Posterprojekt DaZiBao von Group Material aus dem Jahr 1983 ein besseres Beispiel.[10] Der unsanktionierte "Guerillaakt" brachte die Installation einer Serie von Postern auf dem Union Square in New York mit sich, die eine Auswahl unterschiedlicher Stimmen und Meinungen zu einer Reihe verschiedener aktueller politischer und sozialer Themen vertraten - von der US-Intervention in Südamerika über Abtreibungsrechte bis hin zum Wohlfahrtsstaat, usw. Durch die Nutzung des ephemeren Raums der urbanen Straße und der ephemeren Form des Straßenplakats, zeigte Group Material einem nicht quantifizierbaren Publikum von Passanten ein Bild ihrer selbst als disjunktive Gespräche und verkürzte Ansichten umfassender, unvereinheitlichter Öffentlichkeit. Hier erscheint die "demokratische" Öffentlichkeit als ein von Wettstreit geprägter Prozess ohne feste Form und ohne ein endgültiges Ergebnis.

Wie zufrieden sind wir mit diesem Modell? Insofern sie eine Möglichkeit und ein Potenzial imaginiert, für die Diskussion von Themen gemeinschaftlichen (oder gemeinsamen) Interesses soziale Differenzen überwinden zu können, ist die öffentliche Sphäre - wie schon oft bemerkt wurde - immer notwendig ein Ideal, eine idealisierte Konstruktion (Fantasie).[11] In der Vergangenheit hörte man aus diesem Begriff des "gemeinschaftlichen" eine vom dominanten ideologischen Regime geltend gemachte Tendenz zur Universalisierung heraus, die nicht nur minoritäre oder marginalisierte Wahlkreise ausblendet, sondern die Machtstruktur dieses Regimes erhält und naturalisiert. Aber "wenn man", wie Frazer Ward schrieb, "einerseits die zeitgenössische Dominanz der Massenmedien, und andererseits die Balkanisierung der Identitätspolitiken und ihre Tendenz, in ein Feld miteinander kollidierender spezifizierter Ansprüche auszuarten, voraussetzt... verlangt ein notwendigerweise modifiziertes Habermasianisches Schema Beachtung." Dies bedeutet, angesichts balkanisierter Identitätspolitiken (immer größere Individualisierung und auf einem Gefühl absoluter, nicht eindeutiger und nicht-relationaler Differenz basierende Teilung, sowie von psychologischen, politischen und/oder gesellschaftlichen Kränkungen oder Traumata herrührende Selbst-Autorisierung) und der homogenisierenden Affekte (der Auslöschung von Differenz oder "Tiefe" à la Fredric Jameson) und Intensitäten, welche die massenvermittelte Spektakelkultur des Spätkapitalismus hervorbringt - beides führt entweder zu nicht-kommunikativen Sackgassen (und damit zu Gewalt) oder nimmt einem die Besinnung, die nötig ist, um dem Unvermögen Ausdruck zu verleihen - könnte es sinnvoll sein, Habermas' Vision der bürgerlichen Öffentlichkeit nicht ganz so bereitwillig zu verwerfen. Die Fantasie einer Öffentlichkeit, in der man - zumindest zeitweise - private und persönliche Interessen einklammert, um sich eine kollektive Identifikation, eine andere Art der Vertrautheit, vorzustellen - nicht um der Affirmation, des Konsenses oder der Vereinheitlichung willen; keine Identifikation des Gleichen -, scheint wichtiger zu sein als jemals zuvor. So ein Versuch, sich eine demokratische Öffentlichkeit neu vorzustellen, ist zwingend eine Übung in Abstraktion, und das (Kunst-)Werk, das vollbracht werden muss, scheint in dem Raum zu liegen, in dem diese andere Art von Intimität und Publizität zusammenkommen.

[Der Text erschien zuerst in englischer Sprache in: Simon Sheikh (Hg.), In the Place of the Public Sphere? On the establishment of publics and counter-publics, Berlin: b_books 2005]


[1] Jürgen Habermas (1990/1962), Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

[2] Vgl. Frazer Ward (1995), "The Haunted Museum: Institutional Critique and Publicity", in October 73 (Sommer), S. 71-89.

[3] Raymond Williams (1961), "Communications and Community", in Robin Gable (Hg.) (1989), Resources of Hope. London: Verso, S. 19-31.

[4] Die folgende Analyse stützt sich auf eine Argumentation in Miwon Kwon (2002), One Place after Another: Site-Specific Art and Locational Identity. Cambridge: MIT Press.

[5] "plop", also "platsch" oder "plumps", bezieht sich auf die Art, wie die Arbeiten "abgelegt" wurden. (Anm. d. Ü.)

[6] Aus der umfangreichen Literatur zur Tilted Arc-Kontroverse vgl. vor allem Clara Weyergraf-Serra und Martha Buskirk (Hg.) -(1991), The Destruction of Tilted Arc: Documents, Cambridge: MIT Press; Rosalyn Deutsche (1992); "Tilted Arc and the Uses of Public Space", in Design Book Review, 23, S. 22-27 und Douglas Crimp (1993), "Redefining Site Specificity", in On the Museum's Ruins, Cambridge: MIT Press, S. 150-198.

[7] Suzanne Lacy (Hg.) (1995), Mapping the Terrain: New Genre Public Ar., Seattle: Bay Press.

[8] Weitere Informationen zu diesem Projekt finden sich bei Jane Kramer (1994), Whose Art Is It?, Durham / London: Duke University Press und in meinem eigenen Buch One Place after Another (2002), a.a.O.

[9] Vgl. meine Kritik an New Genre Public Art in One Place after Another, (2002), a.a.O.

[10] Für weitere Information zu diesem Projekt und zu Group Material vgl. Nina Felshin (Hg.) -(1995), But Is It Art?: The Spirit of Art as Activism. Seattle: Bay Press.

[11] Vgl. zum Beispiel Bruce Robbins (Hg.) (1993), The Phantom Public Sphere. Minneapolis: University of Minnesota Press.